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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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Sternenlicht in der heißen, schwarzen Nacht dieser Augen bekleidet. Dann senkte sich sein Blick, und er ließ den Arm fallen. Schweiß perlte kühl unter ihren Armen und Brüsten.
    »Komm, du hast das Innere noch nicht gesehen.« Er schien ihr rasches Einatmen nicht zu bemerken und führte sie in den Tempel. Darin ragte, von der Laterne des Kachin beleuchtet, ein Buddha in den Schatten auf, dessen vergoldete, glänzende Masse schläfrige, brütende Macht vermittelte.
    Noch immer die seltsame Kühle spürend, rieb Lysistrata ihre Arme. »Der Schwarze Mann?« murmelte sie Harley zu.
    Er hatte eine dünne Zigarre aus einem Silberetui genommen und entzündete sie an der Laterne. »Erschreckt er dich?« Die Zigarre glühte auf, als er den Rauch einsog. »In den anderen Kammern stehen drei weitere.«
    Die etwas spöttische Herausforderung in seiner Stimme beruhigte sie. »Warum sollte ich Angst haben?« Sie musterte das glatte, massive Gesicht der Statue, »Er ist nur ein großer Holzblock.«
    »Ah, aber wenn Buddha laufen würde...« Sein Lächeln war sphinxhaft.
    Sie lachte leise. »Ich kann ihn fast über die Ebene schreiten sehen. Wie schrecklich er sein würde mit seinem Schritten, die wie tausend Donner hallten.«
    Harley atmete Rauch aus. »Du scheinst enttäuscht, weil er sich nicht bewegt.«
    »Ich glaube, ja. Dieser Ort, heidnisch... das Mondlicht bringt einen dazu, so etwas zu erwarten.« Alles. Mondblasse Brüste, die gelangweilt gestreichelt wurden, ein Hauch von Sünde mit dem Versprechen von Köstlichkeit und Zerstörung...
    Unwillkürlich blickte sie auf.
    Harleys Blick folgte dem ihren, der auf die schwerlidrigen Augen des Buddha gerichtet war. »Dieser alte Bursche saß schon vor Wilhelm dem Eroberer hier. Nicht einmal Dschingis Khan konnte ihn bewegen.«
    Lysistrata schaute Harley an. Der Kontrast seines Abendanzugs zu den verblichenen Malereien des Gewölbes war außergewöhnlich, doch sie sah plötzlich, daß sein Gesicht unbestimmbar war, heidnisch. Trotz seiner Jugend spürte man die Jahrhunderte hinter ihm. Für sie würde er nie wieder Richard Harley sein. »Ich frage mich, was für ein Mann Buddha zum Laufen bringen könnte«, überlegte sie. »Ein Mann, der nicht wie der Khan oder der Eroberer ist. Kein Mann wie du.«
    »Dann mußt du auf einen zweiten Christus warten«, erwiderte er zustimmend. »Unglücklicherweise wird die Welt ihn zu zerstören versuchen, wenn sie nicht tödlich verwundet oder tot ist. Und vielleicht er... es.« Er lächelte rätselhaft. »Vielleicht wird mehr als ein Christus kommen. Ihr Amerikaner seid in Teamarbeit vernarrt.«
    Während sie ins Mondlicht zurückgingen, blickte sie auf die Ebene mit ihren stummen Ruinen. »Ich glaube, es werden ruhige Männer sein, die Buddha bewegen. Genauso, wie dieser wartende, geduldige Ort.«
    »Du magst recht haben.« Sein Murmeln war wegen der Zigarre zwischen seinen Zähnen fast unverständlich. »Pagan ist vielleicht nicht so tot, wie es aussieht.«
    »Du glaubst also, Birma wird die Briten überdauern?«
    »Seine Kultur vielleicht nicht. Seine Männer werden sich wie Weiden biegen, bis ihre Wurzeln schwach werden, aber seine Frauen...« Die Zigarre beschrieb einen schwungvollen Bogen, »sie mögen bezwungen werden, aber sie werden hierbleiben, bis die Reisfelder zu Staub verdorrt sind.«
    Ach ja, die Frauen, sinnierte sie. Die Frauen, die du so gut verstehst. »Und welche Rolle spielst du bei all dem?« fragte sie.
    Er beobachtete, wie eine Eule eine Maus in einem Kaktus beäugte. »Nur eine kleine. Nur ein Eingang.« Die Eule schoß herab. »Nur ein Ausgang.«
    Ihr Blick folgte der Eule, die mit ihrer Beute in einen Tamarindenhain flog. »Eulen sehen doch sehr englisch aus, oder?«
    »Vor allem, wenn sie Liebe machen.«
    Sie mußte einfach lachen.
    In dieser Nacht kam Harley aus seiner Kabine aufs Achterdeck, als sie schon lange schlief. Er war in indisches Weiß gekleidet und reichte dem verblüfften javanischen Koch, der am Heck angelte, seinen schwarzen Anzug. »Ein Geschenk. Das Hühnchen heute abend war perfekt.«
    Er begab sich zum Bug. Der Fluß leuchtete silbern im Mondlicht und spiegelte fliehende Schatten: steinerne Frauen, die eine Frau aus warmem Fleisch und mit kalten Augen umtanzten. Ein Buddha, der die Sonne verdunkelte. Eulen: Abertausende davon. Sein eigenes Gesicht verschwamm in der Dunkelheit.
    Harleys Gespräch mit König Mindon in Mandalay würde sinnlos sein, wie er wußte, und gefährlich dazu. Die

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