Rangun
Schwierigkeit war die Integrität des Königs, die jeden schmerzte, der mit ihm befreundet war. Richard Harley hatte das Pech, ihn wie einen Vater zu lieben, da er alles war, was William Harley, Lord Lyle, nicht war. William war eitel gewesen, selbstsüchtig, skrupellos und manchmal besonnen. Mindon, der Mönch gewesen war, bevor er den Thron bestiegen hatte, war bescheiden, selbstlos, sanft und fast an Trägheit grenzend besonnen. Obwohl die Briten ihren Brückenkopf Rangun 1826 so erweitert hatten, daß sie die Kontrolle über halb Birma besaßen, war Mindon der Überzeugung, man könne sie dazu überreden, im Süden zu bleiben. Als König hatte er mit William Harley mehrere Dinge gemeinsam. Hatte er erst einmal eine Entscheidung getroffen, beharrte er unbeugsam darauf. Unglücklicherweise führte seine Kombination von Glauben an die guten Absichten der Briten und persönliche Ehre dazu, jeden Widerstand gegen das britische Vordringen zu lähmen. Das schloß auch die Weigerung ein, mit jemandem zu sprechen, von dem er wußte, daß er antibritisch war. Harley mußte seinen Hals riskieren, nur um seine Ehrerbietung zu erweisen.
Harley bat über Prinz Rathathara, einen persönlichen Freund, um eine Audienz beim König.
»Ich werde versuchen, morgen bei seiner Majestät eine Audienz zu arrangieren, aber ich halte es für klug, wenn du deine Schwierigkeiten in Rangun nicht erwähnst«, riet Rathathara. »Seine Majestät könnte sich verpflichtet fühlen, mit Konsul Endicott darüber zu sprechen.«
»Ich werde den Glaspalast wahrscheinlich nicht verlassen, ohne darüber zu sprechen«, erwiderte Harley. »Endicott ist telegrafisch über alles informiert, was in Rangun vorgeht.« Er betastete abwesend den Schnurrbart, den er sich seit Bangkok wachsen ließ. Sein Gesicht war schmutzig. Er war wie ein indischer Bauer gekleidet und trug einen Turban.
Der Prinz schenkte seinem Freund Tee ein. »Im Augenblick geht es darum, in den Palast zu gelangen. Herauszukommen ist etwas anderes.«
Harley ging allein durch die mit Glas und Silber eingelegten Türen von Mindons königlichem Vorzimmer. Wie fast der ganze Palast war das Gemach ein glitzerndes Juwel von vergoldetem Teak, Glas und Spiegelmosaiken, die in üppigen Farben das Wesen seines Bewohners in einem unruhigen Kaleidoskop widerspiegelten. Trotz des prächtigen Brokatrocks seiner Rajput-Vorfahren, seiner weißen Jodhpurs und dem mit Diamanten und Smaragden besetzten Turban, paßte Harley zu der juwelengeschmückten Menge vor dem königlichen Audienzzimmer. Die einzig auffälligen Anwesenden waren Angehörige des britischen Konsulats in ihren grauen Fräcken. Ironischerweise wirkten sie wie Tauben, obwohl sie zu den räuberischsten Jägern in dieser Ansammlung gehörten. Die britischen Soldaten in scharlachroten Uniformröcken waren weniger diskret.
Harley, der lässig einen Fächer als Schild vor bekannten Gesichtern benutzte, stand Konsul Endicott gegenüber auf der anderen Seite des Raumes. Doch unausweichlich stieß der Zeremonienmeister mit seinem Malakkastock auf und rief den Namen von Ram Kachwaha Harley, Prinz von Rajputana.
Konsul Endicotts Kopf ruckte wie von einer Schnur gezogen herum. Seine Augen verengten sich, als Ram Kachwaha Harley an ihm vorbeiging, und er murmelte einem Attache etwas zu, der sofort den Raum verließ.
Beim Betreten des königlichen Gemaches fiel Ram Kachwaha auf Hände und Knie, als sein Name dem König wiederholt wurde. »Erhebe dich, mein Freund«, forderte Mindon ihn mit der hohen, leicht singenden Stimme eines Priesters auf. »Mir ist bewußt, daß westliche Verhaltensweise für dich zuweilen angenehmer ist.« Er deutete auf ein scharlachrotes Kissen vor dem pyathat -gekrönten Thron. Der völlig mit Spiegelmosaiken ausgestattete Raum zeigte in Bruchstücken die Abbilder der beiden Männer; den kühnen, stattlichen jungen Rajputprinzen und den kahlgeschorenen alten Mann in seinem schlichten, weißen Gewand. Als Ram Kachwaha ihm ernst dankte und sich im Lotussitz niederließ, strahlten die Augen des alten Mannes liebevoll. »Viel zu lange hatten wir die Freude deiner Anwesenheit im Glaspalast nicht, mein Sohn. Dürfen wir hoffen, daß du zu unseren Geburtstagsfeierlichkeiten gekommen bist?«
»Eure Majestät ist gnädig, aber ich bedaure, daß ich meinen Aufenthalt in Mandalay kurz machen muß. Doch ich wollte nicht gehen, ohne meine Wünsche für Euer langes Leben und eine erfolgreiche Regierung zu überbringen.« Der junge Mann
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