Raniels Engelwelt
nahm Platz. Wir machten es wie die meisten hier. Zwischen uns bleib ein Stuhl frei. Vorerst, denn Mona setzte sich auf den freien Stuhl zwischen uns. Wir sahen ihr an, dass sie etwas auf dem Herzen hatte.
»Bevor die Meisterin kommt und sich den Problemen hier widmet, möchte ich euch noch etwas fragen.«
»Bitte«, sagte Bill.
»Wie habt ihr den Weg zu uns gefunden?«
»Wir lasen im Internet darüber.«
»Nur so?«
Bill schüttelte den Kopf. »Nein, ein Bekannter hat uns schon zuvor den Tipp gegeben.«
»Ah – wer denn?«
»Er heißt Kevin Frost.«
Jetzt waren wir beide auf eine Reaktion gespannt.
Zunächst tat sich bei Mona nichts. Dann allerdings verschwand das immer etwas selig wirkende Lächeln von ihrem Gesicht. Sie versuchte, gleichgültig zu wirken und hob die Schultern.
»Sagt der Name dir nichts?«, fragte ich.
»Ähm... ich... ich weiß nicht so recht...«
»Er muss aber hier bei euch gewesen sein«, flüsterte Bill. »Die Sitzung hat ihn außerordentlich beeindruckt. Er hat sogar regelrecht von ihr geschwärmt.«
»Er hatte Probleme«, flüsterte ich.
»Die habt ihr doch auch.«
»Aber er ging einen Schritt weiter.« Jetzt war Bill wieder an der Reihe.
»So?«
»Es gab Kontakt mit dem Engel. Mit Elion.«
Mona hatte jedes Wort verstanden. Sie saß plötzlich völlig starr auf ihrem Sitz. Sie schien nichts begreifen zu können, denn sie war nicht mehr fähig, eine Antwort zu geben.
»Hast du verstanden?«
Durch ein Nicken gab sie mir die Antwort. Dann zog sie die Schultern in die Höhe wie jemand, der friert. Sie zwinkerte mit den Augen und stand plötzlich auf.
»Was ist los?«, fragte Bill.
»Es tut mir Leid. Ich muss euch jetzt allein lassen. Die Sitzung beginnt in weniger als einer Minute. Ich spüre es bereits.«
»Was spürst du?«
»Die Kraft des Engels...«
Eine andere Antwort erhielten wir nicht mehr, denn schnell machte sich die Frau aus dem Staub. Sie trug sehr flache Schuhe und war kaum zu hören.
Wohin sie verschwand, bekamen wir nicht mit. Wahrscheinlich blieb sie im Hintergrund stehen.
»Was sagst du, John?«
Ich wiegte den Kopf. »Sie könnte etwas wissen. Aber sie sagt es uns nicht.«
»Eben. Trau schau wem, sage ich mal.«
Mein Lächeln fiel etwas kantig aus. Ich spürte nämlich die Spannung in meinem Innern. Die Umgebung in dem kleinen, halbrunden Saal sah so harmlos aus, aber daran konnte ich einfach nicht glauben.
Die Menschen vor uns warteten mit einer Engelsgeduld. Manche von ihnen waren nach vorn gesunken, als wären sie in ein Gebet vertieft. Niemand sprach mit seinem Nachbarn. Wären nicht hin und wieder die Atemzüge zu hören gewesen, hätte man von einer Totenstille sprechen können.
Von irgendwoher musste Pamela ja erscheinen. Eine zweite Tür hatten wir nicht entdeckt. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass sie wie ein Besucher den normalen Weg nahm, den auch wir gegangen waren.
Eine Frau seufzte.
Der Mann neben ihr stöhnte und fasste ihre Hand.
»Der Engel...«, sagte sie.
»Ja, was ist mit ihm?«
»Ich sehe ihn. Ich spüre ihn. Er ist ganz in meiner Nähe, und es ist wie ein kleines Wunder.«
»Keine Sorge, er wird uns helfen, Lisa...«
»Ja, ja – ich will mit unserem toten Sohn sprechen.«
Das Gespräch zwischen den beiden Menschen verstummte. Bill und ich aber hatten einen Einblick bekommen, weshalb sich die Menschen hier versammelten. Da ging es wirklich um Probleme, die tief, sehr tief saßen und ihr Leben beeinträchtigten. Im Prinzip waren sie arm dran, denn sie hatten womöglich schon bei zahlreichen Spezialisten Hilfe gesucht und sie nicht erhalten. Das hier war jetzt die letzte Möglichkeit, und sie würden sicherlich alles tun und hinnehmen. In dieser Lage war es leicht, sie zu manipulieren.
Ich konzentrierte mich auf das, was vor mir lag. Über die Köpfe der meisten Menschen konnte ich hinwegschauen und sah vorn zu diesem Podest mit dem Sessel hin.
Er stand da wie ein Thron. Die Meisterin konnte auf einem dicken Polster Platz nehmen. Natürlich war es hell, aber zugleich mit dünnen, goldenen Fäden durch webt. So etwas gehörte einfach dazu, und sie würde sicherlich auftreten wie eine Königin.
Woher kam sie? Sie würde bestimmt nicht von der Decke nach unten schweben.
Nein, das brauchte sie auch nicht, denn etwas anderes passierte. Hinter dem Thron bestand die Wand ebenfalls aus Holz, und in sie war eine Tür eingearbeitet, die fugendicht schloss.
Von der Innenseite her wurde sie nun aufgezogen. Sekunden
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