Raniels Engelwelt
helfen soll. Ich weiß aber auch, dass es manchmal schwierig ist, diesen Rat zu befolgen. Oft verlangt er nur kleine Dinge. Manchmal aber auch Unmögliches. So scheint es zumindest. Deshalb sage ich euch bereits jetzt, dass ihr euch überwinden müsst. Denkt einfach nur an ihn, denn er meint es wirklich gut mit euch. Er ist ein Engel. Er kann gar nicht schlecht sein. Was zählt, ist der Erfolg.«
»Toll«, wisperte Bill mir zu. »So kann man die Menschen auch auf einen Suizid vorbereiten.«
»Möglich.«
»Aber ist dir auch aufgefallen, dass sie uns beide mehr anblickt als die übrigen Leute?«
Ich deutete ein Nicken an.
»Möglicherweise weiß sie Bescheid.«
»Woher?«
»Sie kann es gespürt haben, John. Ja, gespürt. Davon bin ich überzeugt.«
»Wir werden sehen.«
Pamela Parker sprach weiter. Sie streckte den Zuhörern dabei die Arme entgegen. »Wenn ihr das alles begreift, was ich euch gesagt habe, stehen wir bereits an der Grenze. Wir brauchen nur einen Schritt nach vorn zu gehen, um sie zu überschreiten, und ich werde euch dabei zur Seite stehen.«
Sie lächelte, und wieder hatte jeder Gast das Gefühl, dass dieses Lächeln ihm allein galt.
Die Parker schloss die Augen.
Die meisten, die hier saßen, kannten das Ritual. Es wurde noch stiller. Jetzt hätte man die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören können.
Die Frau entspannte sich. Sie blieb auf ihrem Thronstuhl sitzen, und sie machte plötzlich den Eindruck einer Frau, die für diese Sitzfläche einfach zu klein war. Sie wirkte etwas hilflos. Sie schien darauf warten zu wollen, dass etwas passierte.
Jeder wartete ab. Da machten auch wir keine Ausnahme. Im Gegensatz zu den übrigen Menschen waren wir aber voll konzentriert und bei der Sache. Die Männer und Frauen vor uns schienen in eine Trance gefallen zu sein. Sie saßen da wie eingeschlafen, und es grenzte schon an ein kleines Wunder, dass niemand von seinem Stuhl rutschte.
Bill und ich dachten nicht daran, die Augen zu schließen. Wir gaben auch kein Seufzen vor uns, wie es manch anderer tat. Wir blieben mit unseren Blicken an dieser Person auf dem Thron hängen, die ihre Augen weiterhin geschlossen hatte und nun den Weg suchte, um mit Elion einen Kontakt herzustellen.
Sie würde es bestimmt schaffen. Oder es ihren Gläubigen zumindest erzählen. Ich ging davon aus, dass sich sehr bald herausstellen würde, ob das, was sie tat, Hokuspokus war oder nicht.
Und dann traf das ein, womit wir schon gerechnet hatten. Es kam zu einer Veränderung der Luft. Der Geruch nach Vanille schwebte plötzlich durch den Raum.
Für Bill und mich war dies kein Beweis dafür, dass sich ein Engel in der Nähe aufhielt und im unsichtbaren Bereich blieb. Einen Geruch konnte man auch so erzeugen, ihn zum Beispiel durch Düsen in den Raum blasen lassen.
Das alles war mit Menschen zu machen, die sehr gläubig und beinahe schon hörig waren. Bill und mich beeindruckte das nicht. Wir wollten wissen, ob sich der Engel wirklich zeigte. Dass es so etwas gab, wussten wir, doch in diesem Fall war ich skeptisch.
Die Gäste hatten den Geruch ebenfalls wahrgenommen. Sie reagierten entsprechend darauf. Eine Frau stand auf, blieb auch für einen Moment stehen und schüttelte den Kopf. Ihr eisgraues Haar lief im Nacken zu einem langen Zopf aus, und bei jeder Bewegung schleuderte der Zopf hin und her.
Die Frau konnte nicht mehr an sich halten. Ihre Stimme stand kurz vor dem Ersticken, und sie brachte die Worte nur mühsam hervor.
»Er ist gekommen. Elion ist da. Ich rieche ihn. Er hat uns erhört. Gütiger Himmel, er zeigt Erbarmen...«
Der Mann, der neben ihr saß, zog sie wieder zurück auf den Sitz und flüsterte ihr einige Worte ins Ohr.
Danach seufzte die Person auf und ließ sich gegen den Mann sinken. Sie sagte nichts mehr, aber ihr Körper fing an zu zittern, das sah ich durch eine Lücke.
Diese Menschen hier waren wirklich beeindruckt. Sie ließen sich leicht manipulieren. Wie das im Endeffekt aussah, hatten wir bei Kevin Frosts Tod erlebt.
»Die sitzt da, als wäre sie zu Stein geworden«, raunte Bill und schüttelte den Kopf. »Ein perfektes Schauspiel.«
»Mal sehen, was daraus noch wird.«
»He, ist das für dich denn alles echt?«
»Ich habe meine Zweifel.«
»Dann warten wir mal ab.«
Lange dauerte es nicht mehr. Nur einige Sekunden später öffnete Pamela Parker die Augen. Wieder sahen wir ihren himmelblauen Blick, und der Mund verzog sich zu einem Lächeln. Beide Arme hob sie nach oben und
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