Raniels Engelwelt
mich ebenfalls sah und vor Staunen den Mund nicht zubekam.
Obwohl es ihr Elion mitgeteilt hatte, war sie wohl nicht sicher gewesen, dass ich hier erscheinen würde und die Reise zudem noch gut überstanden hatte.
»John...«, flüsterte sie.
»Oh, du hast meinen Namen nicht vergessen, Pam! Das ist schön. Weißt du, ich musste dir einfach folgen.«
Sie wusste nicht, was sie von dieser Antwort halten sollte. Deshalb warf sie ihrem Beschützer einen Hilfe suchenden Blick zu, und Elion reagierte auch.
Er nahm mich direkt aufs Korn. Wir standen uns gegenüber und starrten uns an.
Der Blick seiner Augen zeigte kein Gefühl. Erst jetzt fiel mir auf, dass seine Augen keine Pupillen besaßen. In ihnen lag einfach nur ein kalter dunkler Glanz.
»Du bist hier eingedrungen, das weißt du!«
Ich nickte. »Sicher, das ist mir klar.«
»Muss ich dir erst groß erklären, was mit Eindringlingen geschieht, die hier nichts zu suchen haben?«
»Sag es mir!«
»Sie werden vernichtet!«
Genau diese Aussage gefiel seiner neuen Gefährtin. Sie stand wie unter Strom und ballte die Hände zu Fäusten. »Ja, ja, du musst ihn vernichten. Er darf uns nicht stören. Es ist alles hier unser und...«
»Was redet sie da?«, fragte ich. Meine Worte galten Elion. »Stimmt es wirklich, dass dies hier deine Welt ist?«
Sein Gesichtsausdruck bekam etwas Überhebliches. »Wo sollten wir uns sonst aufhalten?«
»Vielleicht bist du auf der Suche nach einem Ort gewesen und hast einen Teil einer Welt annektiert, der dir gar nicht zusteht.«
»Wem sollte sie denn dann gehören?«
»Raniel!«
Mit dieser Antwort hatte ich ihn getroffen. Er war überrascht, was ich nicht am Ausdruck seiner Augen wahrnahm, denn der blieb gleich. Ich sah es nur an seinem Verhalten, denn er zuckte tatsächlich zusammen und schien mich angreifen zu wollen. Aber er hielt sich zurück, und die nächste Frage erreichte mich flüsternd.
»Du kennst ihn?«
»Das denke ich schon.«
»Woher?«
Ich hob die Schultern. »Das liegt schon Jahre zurück. Wir haben so einiges erlebt, und deshalb weiß ich auch, dass er sich der Gerechte nennt. Und ob er das, was du getan hast, als gerecht empfindet, das wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, nicht. Wie ich ihn kenne, lässt er keinen in seine Engelswelt hinein.«
»Er ist kein Engel!«
»Bist du einer?«
»Ich bin wie Raniel.«
»Also halb Mensch und halb Engel!«
»Ja!« Elion streckte mir seine Hand entgegen. »Und deshalb gehöre ich auch hierher. Und ich kann dich beruhigen. Raniel weiß davon. Er hat es akzeptiert, weil ich ihm ähnlich bin. Und es ist zudem gerecht, wie ich mit den Menschen umgehe.«
»Indem du sie in den Selbstmord treibst?«
»Ja, John, ja. Denn es ist ein wunderbares Gefühl, wenn andere für mich in den Tod gehen, das kann ich dir schwören.«
»Verstehe.«
»Ich brauche die Bestätigung, und auch dein Freund Raniel hat bisher nichts dagegen gehabt. Es stimmt, er ist der Gerechte, deshalb hat er sich auch diese Welt erschaffen, um hier diejenigen zu bestrafen, die es verdient haben.«
»Und wer hat es verdient?«
»Viele.«
»Kennst du sie?«
»Nein, denn ich halte mich sonst in anderem Sphären auf. Aber ich kann dir sagen, dass auch dieser Kevin den Tod verdient hat. Es ist nicht schade um ihn.«
»Was hat er den Schlimmes getan?«
»Er tötete. Er hat im Geheimen gearbeitet. Wenn es für ihn brenzlig wurde, dann killte er die Menschen. Aber auch er hatte ein Gewissen, und das ließ ihm keine Ruhe. Deshalb kam er zu Pamela. Er wollte sich von seiner Schuld befreien und einen anderen Weg einschlagen. Aber er hat nicht damit gerechnet, dass er an den Falschen geraten ist. Auch ich hätte ihn töten können, aber das wollte ich nicht. Deshalb habe ich ihn in den Selbstmord getrieben. Das ist meine Gerechtigkeit. Ich nehme an, dass sie Raniel passt.«
So also lief der Hase. Das waren für mich völlig neue Töne. Ich musste umdenken, und es kam mir jetzt nicht mal so verkehrt vor, dass Elion und Raniel gemeinsame Wege gingen. Und durch Pamela Parker hatte er den Kontakt zu der normalen Welt und deren Menschen bekommen.
Ich dachte darüber nach, was meine Rolle in diesem Spiel war. Hatte ich hier überhaupt etwas zu tun? War das nicht eine Sache der Engel?
So leicht wollte ich mich nicht abspeisen lassen und fragte: »Was ist mit Raniel? Wenn es schon seine Welt ist, dann möchte ich ihn gern sehen.«
»Ja, das glaube ich. Aber ich weiß nicht, ob er es will. Das ist die große
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