Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burghard Pohl
Vom Netzwerk:
weitergeht, der schönere geht rechts ab und ist nur 100 m länger. Normalerweise würde ich mich für den kürzeren Weg entscheiden, doch irgendetwas sagt mir: Geh rechts ab. Also folge ich diesem Gefühl und laufe schöner.
    Wir kommen zu einem wunderschönen Rastplatz. Auf der grünen Kleewiese stehen Steintische und Steinbänke. Ein bienenkorbähnliches Bauwerk aus Feldsteinen steht als Unterschlupf allen zur Verfügung. Ich bin hier mutterseelenallein, setze meinen Rucksack ab, ziehe mein nasses Hemd aus und hänge es in einen Baum. Hier könnte ich meinen Rucksack aufräumen und meine Zehe versorgen. Was mich wundert ist, dass trotz des blühenden Klees nicht eine einzige Biene hier herum fliegt. Das ist doch ungewöhnlich, das kenne ich von Zuhause aber anders. Ich schaue noch mal genau hin: Es ist so, nicht eine einzige Biene, auch kein Schmetterling. In Sichtweite verläuft die Autobahn, man kann sie leise hören. Sie ist weit genug weg und stört mich nicht.
    Meine Füße schmerzen heute nicht mehr so sehr, es liegt daran, dass ich seit heute Morgen in Sandalen laufe. Ich schneide Kletten aus Kiras Fell und es bläst ein angenehmer, frischer Wind. Hier ist es wunderbar, eine Wellnessoase, das wäre ein idealer Platz zum Zelten. Es ist leider noch zu früh, um hier zu bleiben, und ich muss noch etwas zum Essen kaufen. Es ist mir angenehmer, mit Kira allein zu essen. Im Biergarten knurrt und kläfft sie alle Leute an, das nervt. Sie ist übermäßig extrem um meine Sicherheit bedacht. Wie sie sich hier oft benimmt, so kenne ich sie überhaupt nicht. Ein Maulkorb wäre in manchen Situationen sicherlich von Vorteil.
     
    Ich will nach dieser langen Pause an diesem wunderschönen Ort weiter, packe und setze meinen Rucksack wieder auf. — Was ist den jetzt los? — Kira steht, wie von allen guten Geistern verlassen, plötzlich auf drei Beinen. Sie kann ihr Hinterbein nicht mehr aufsetzen. „Was ist denn los mit Dir?“ — Zuerst denke ich, vielleicht ist ihr Bein eingeschlafen. Warum soll es bei Hunden nicht auch so etwas geben wie bei uns Menschen. Aber irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Ich setze meinen Rucksack wieder ab und lege Kira auf einen Betontisch. Sie liegt da wie auf einem OP-Tisch und ich untersuche ihren Fuß. Auf den ersten Blick ist nichts zu sehen, erst bei genauerem hinsehen entdecke ich Grasgrannen zwischen ihren Pfoten. Sie sehen aus wie kleine Kornähren, sind ungefähr zwei Zentimeter lang und haben kleine Widerhaken. Diese Dinger haben sich einen Weg durch ihr Fell gebahnt und stecken nun tief in ihrer Haut. Die Wunden haben sich entzündet. Ich schneide erst einmal das Fell zwischen ihren Pfoten mit der Nagelschere vorsichtig weg, um mir einen genauen Überblick zu verschaffen. Danach ziehe ich mit der Pinzette eine nach der anderen heraus. Diese Quälgeister hat sie schon länger im Fell. Ich sprühe Willis Desinfektionsspray, das er mir in den ersten Tagen überlassen hat, auf ihre Wunden. Im Körper stecken ebenfalls diese Grannen und haben auch dort entzündete Einstiche hinterlassen. Kira bleibt die ganze Zeit absolut ruhig auf dem Tisch liegen. — Was hatte der Mann heute Morgen vor der Bar gesehen? Hat er etwas bemerkt, was mir nicht aufgefallen ist? — Ich telefoniere mit meiner Tochter Sade und erzähle ihr von Kiras kranker Pfote. Hoffentlich kann Kira weiterlaufen!
     
    Von weitem sehe ich zwei Pilger kommen. Es haben sich also noch zwei für den längeren Weg entschieden. Ich will weg sein bevor sie hier sind, aber das schaffe ich nicht mehr. Meine Notfallapotheke muss wieder eingeräumt werden und sie sind da, bevor ich fertig bin. Es ist ein junges Pärchen und sie setzen sich hinter das aus Felssteinen gemauerte Gebäude in den Schatten. Als ich an ihnen vorbeilaufe, frage ich: „Spricht einer von euch deutsch?“ — Das Mädchen sagt: „Ja.“ — Ich erkläre ihr, dass ich die Pfoten von Kira versorgen musste und dass sie nun wieder auftreten kann.
    Nach mehr als zwei Stunden erreichen wir den nächsten Ort. Auf dem Ortseingangsschild steht „Santo Domingo de la Calzada“. Ich habe Glück und finde noch einen offenen Supermarkt. Ich binde Kira an meinem Rucksack fest, in dem mein ganzes Bargeld ist und gehe hinein. Es ist weit genug entfernt von der Eingangstür, direkt hinter den Einkaufswagen. Wo soll ich sie sonst festmachen? Ich kann nur hoffen, dass keiner an sie herangeht.
    In einem so großen Supermarkt war ich während meiner Pilgerreise noch nie, sonst

Weitere Kostenlose Bücher