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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burghard Pohl
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übernachten.“
    Er packt seinen Rucksack, wünscht mir einen guten Weg und ist genauso schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Ich hole mir noch einen Kaffee, gehe damit um die Hausecke und setze mich auf eine Bank. Die Bar macht jetzt zu, sie machen nun Mittagspause und alle Stühle werden weggeräumt. Ich ziehe mir eine Cola light am Automaten und beobachte die Störche auf dem gegenüberliegenden Kirchturm. Es kommen neue Pilger. Sie machen Rast auf den Stufen der Kirche, es ist eine lustige Gemeinschaft, jung und alt. Ein Mann, Mitte sechzig, in kurzen Hosen und weißen Haaren, kommt auf mich zu. Er hat gesehen, dass ich mit Hund unterwegs bin und spricht mich an. „Bleiben Sie stehen und kommen Sie nicht näher, wegen dem Hund.“ — „Ich habe keine Angst vor Hunden.“ — „Woher kommen Sie?“ — „Ich komme aus Mönchengladbach, aber die Hälfte des Jahres lebe ich in Florida, weil dort auch meine Tochter lebt. Sie hat auch einen Hund, dieser hat vor kurzem ein Kind gebissen.“ — Um eine drohende Strafanzeige abzuwenden, hat sie dem Kind ein Fahrrad gekauft. In Amerika werden hohe Schadensersatzansprüche eingeklagt.
    „Gerade habe ich einen Mann aus Finnland getroffen. Er ist mit meinem Freund Willi zwei Tage zusammen gelaufen, bevor er wieder nach Hause geflogen ist. Er hat an der Konfirmation seiner Tochter teilgenommen. Ist doch unglaublich, oder?“ — „Das ist noch gar nichts! Ich habe auf dem Weg eine Frau getroffen, die zum 92. Geburtstag ihrer Mutter von Madrid nach Neuseeland geflogen ist. Auch sie ist anschließend wieder gekommen und dort eingestiegen, wo sie aufgehört hat.“ — „Das kann doch nicht wahr sein. Wer kann sich denn so was erlauben? Das können doch nur Leute machen, wo Geld keine Rolle spielt.“ — Außerdem werden sie keine sprachlichen Schwierigkeiten haben. Meine Fremdsprachenkenntnisse sind gleich null und reichen gerade soweit, dass ich nicht verhungere. — Er geht wieder zu seinen Mitpilgern zurück.
     
    Eine SMS von Willi: Hallo Burghard, sollen wir uns mal wieder treffen?
    Ich schreibe zurück: Ehrliche Antwort: Nein! Du wirst mich kaum noch wieder erkennen. Kira und ich sind fußlahm. Ich habe Samy getroffen, er hat nach Dir gefragt.
     
    Ich kaufe in der Apotheke neues Pflaster und verbinde meine Blasen aufs Neue. Der Haushaltsposten Pflaster nimmt mittlerweile schon einen zweistelligen Eurobetrag ein. Später schreibe ich Tagebuch und trinke eine Cola light. Ich kaufe noch schnell etwas ein und auf geht’s. Meine Pausen dauern immer länger als die der anderen Pilger. Je mehr meine Füße schmerzen, desto länger bleibe ich sitzen, aber weiterkommen will ich natürlich auch. — Mitten in der Landschaft steht eine große Informationstafel. Sie passt überhaupt nicht in diese natürliche Umgebung, wahrscheinlich aus EU-Geldern finanziert. Sieht schrecklich aus, aber dafür gefördert. Mit solchen Kleinigkeiten kann man die Einzigartigkeit dieses Weges kaputt machen. Darauf konnte ich bis jetzt gut verzichten und könnte es für den Rest des Weges auch. Auf der Tafel sind die einzelnen Etappen bis Santiago de Compostela angegeben, Tagesstrecken von durchschnittlich sechzig Kilometer. Dafür brauche ich in meinem Zustand drei Tage.
    Nach einigen hundert Metern biege ich in einen schmalen Landweg, der Pilgerweg geht geradeaus weiter. Ich setze mich und ziehe sofort meine Schuhe aus. Der kleine rechte Zeh schmerzt tierisch, es hämmert mörderisch, gnadenlos. Von hier aus sehe ich einzelne Pilger kommen, die auch vor dieser monströsen Tafel stehen bleiben und sie längere Zeit ansehen. Sie laufen in einem Abstand von ungefähr fünfzig Metern vorbei. Ich entschließe mich, meine Isomatte auszurollen und will in der warmen Mittagssonne einfach nur noch liegen bleiben und schlafen.
    Als ich wieder wach werde, sehe ich einen einheimischen, älteren Mann kommen. Er biegt auch in diesen Weg ab, kommt auf mich zu und stellt sich genau vor mich hin. Kira knurrt und bellt ihn pausenlos an. „Keinen Schritt näher, seien Sie vorsichtig.“ — Der versteht nichts, redet mit mir ohne Punkt und Komma spanisch. „Ich komme aus Deutschland und bin Pilger.“ — Das versteht er genau so wenig, wie ich ihn verstehe. Ich ermahne ihn nochmals: „Bleiben Sie stehen, halten Sie Abstand.“ — Er ignoriert es weiterhin. Boh, wie blöd ist der? Eine Attacke reicht mir, gleich startet Kira den nächsten Verteidigungsangriff, wieder auf einen, der nicht

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