rank und schlank und rattenscharf
waren es nur kleine Tante-Emma-Läden. Das ist für uns beide eine neue Herausforderung. Im Schnelldurchgang kaufe ich Wasser, Ölsardinen, gefüllten Oktopus, eine Apfelsine, drei Tomaten, ein Stück Käse, Kräcker. Brot haben sie hier keines mehr, noch zwei Packungen Wiener Würstchen, die mag Kira so gern. — Es ist alles gut gegangen, sie liegt genauso brav da, wie ich sie zurückgelassen habe. „Braver Hund, warum bist Du nicht immer so lieb?“ — Wir gehen durch die Stadt und müssen jetzt nur noch einen geeigneten Schlafplatz finden. An einem kleinen Platz werde ich von einer Frau angesprochen. Ich glaube, sie will wissen, ob ich eine Herberge suche. — „Nein, den Camino.“ — Ich habe die gelben Pfeile auf den letzten fünfzig Metern aus den Augen verloren und suche nun nach ihnen. Wir gehen gemeinsam ein Stück zurück, dann sehe ich in Augenhöhe einen gelben Pfeil an einer Hauswand. Ich hebe meinem Pilgerstab in die Luft und zeige auf ihn. Der Pfeil zeigt in die Richtung, aus der ich mit der Frau gerade gekommen bin. Ich komme wieder zu diesem Platz, stehe wieder suchend herum und komme wieder nicht weiter. Zwei Männer sehen meine Unsicherheit, der jüngere grüsst mich freundlich und der ältere zeigt mit dem Finger in eine von mehreren kleinen Straßen. Der kennt sich aus, wie mir scheint.
Nun geht es weiter und wir laufen endlich wieder stadtauswärts. Mehr als eine Stunde geht’s immer nur an Kartoffeläckern und Kornfeldern entlang. Wir kommen an ein großes Kreuz, das am Wegesrand steht und ich fotografiere es. Im Angesicht dieses Kreuzes bitte ich den lieben Gott, uns so schnell wie möglich einen Schlafplatz zu zeigen. Nicht für mich, aber für meinen Hund, in Anbetracht Kiras geschundener Pfoten.
Es gibt hier keine einzige Möglichkeit, abseits der Straße ein Zelt aufzubauen. So etwas habe ich noch nie gesehen und erlebt. Ich habe das Gefühl, ich werde von Feldern und der Straße zerdrückt. Nur Felder, so weit das Auge reicht. Nur Felder, Felder, man kann es sich nicht vorstellen. Mit einem Auto kein Problem, zu Fuß ein Riesenproblem. Wir laufen und laufen, es nimmt kein Ende. Plötzlich sehe ich einen Obdachlosen, er liegt in seinem Schlafsack, direkt zwischen Fußweg und Straße, im Graben. Durch das klopfende Geräusch meines Pilgerstabes habe ich ihn aufgeschreckt und er schaut zu mir hoch. Ich rufe ihm zu: „Ola!“ Er antwortet „Ola!“ und legt sich wieder hin. Am liebsten würde ich mich sofort zu ihm legen, ich bin fix und fertig. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Es wird langsam dunkel und seit zwei Stunden schleppe ich mich und meinen Einkauf vorwärts. Wann werde ich bloß einen Schlafplatz finden? Links die endlosen Felder, rechts die nicht endende Straße. Jetzt ist schon das nächste Dorf oder die nächste Stadt in Sicht. — Ich brauche nichts zu essen, ich brauche endlich einen Schlafplatz! Immer wieder denke ich an meine Bitte, die ich im Angesicht des Kreuzes ausgesprochen habe.
Von weitem sehe ich auf der rechten Seite einen mit Gras bewachsenen Hügel. Als ich näher komme, erkenne ich einen stillgelegten Steinbruch. Das könnte er sein, der Platz, den der liebe Gott für uns bereithält. Er hätte auch schon zwei Stunden früher kommen dürfen. Ich überquere die Straße, gehe bergauf in diesen alten Steinbruch, erreiche ihn mit der letzten Kraft. — Das ist hier ideal: abseits der Straße, eine gerade Fläche und kurzer Rasen. Es ist bereits dunkel, noch bevor ich das Zelt aufgebaut habe.
Wir sind eindeutig zu lange gelaufen, aber es gab nicht eine einzige Möglichkeit, die auch nur ansatzweise geeignet gewesen wäre. Nachdem das Zelt steht, bekommt Kira ein zweites Paket Würstchen, das erste hat sie direkt am Supermarkt gefuttert. Ich schicke sie ins Zelt und esse auch noch was, bevor ich völlig fertig in meinen Schlafsack krieche. Vor lauter Erschöpfung habe ich gar keinen Hunger mehr.
Mitten in der Nacht jault Kira und will raus. Ich öffne den Reißverschluss und sie stolpert über mich hinweg nach draußen. Sie verschwindet im Dunkeln und als ich nach einigen Minuten nach ihr rufe, kommt sie nicht zurück. Ich nehme meine Taschenlampe und leuchte die nähere Umgebung ab. Das fehlt mir jetzt auch noch. Das hat sie doch noch nie gemacht! Ist sie etwa abgehauen? Sie wird mich doch nicht im Stich gelassen haben? Alles ist möglich. Ich will auch nicht zu laut schreien, es muss ja nicht jeder wissen, dass ich hier übernachte.
Irgendwann
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