Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
sie damit zu erdrosseln, es aber nicht geschafft. Der altersspröde Gummi war gerissen. Also hatte dieser Jemand stattdessen die Messingdüse genommen und sie ihr in den Hals gesteckt. Sie steckte noch immer da, wie die Einfüllöffnung eines Trichters. Und genau dazu hatte er sie auch verwendet. Rebus beugte sich über den Trichter und schnüffelte daran.
Er war sich nicht sicher, aber er glaubte, dass der Täter Säure benutzt, sie in sie gekippt hatte, während sie an der Metalldüse würgte. Wenn Rebus genauer hingeschaut hätte, dann wäre ihre weggeätzte Kehle zu sehen gewesen. Er schaute nicht hin. Stattdessen richtete er den Strahl der Taschenlampe auf den Fußboden. Ihre Tasche lag ausgeleert da, der Inhalt über die Planken verstreut. Neben einer Holzkiste entdeckte er etwas Kleines, Zusammengeknülltes. Er hob es auf und strich es glatt. Es war die Papierhülle einer Computerdiskette. Darauf waren die Buchstaben »SaS« geschrieben.
»Sieht so aus, als hätten sie bekommen, was sie wollten«, sagte er.
Im Crazy Hose Saloon tanzte niemand mehr.
Man hatte alle nach Haus geschickt. Da das Hose in Tollcross lag, fiel die Sache in die Zuständigkeit der Abteilung C. Torphichen Place hatte Beamte rübergeschickt.
»John Rebus«, meinte einer der CID-Leute. »Sie kommen ja mehr rum als die Zeugen Jehovas.«
»Aber ich versuche nie, Ihnen Religion zu verkaufen, Shug.«
D.I. Shug Davidson kletterte auf die Bühne und verschwand durch die Tür. Sie waren alle oben, denn oben lief die Show ab. Sie stellten Halogenlampen auf, um den Fotografen die Arbeit zu erleichtern. Für das Vorhängeschloss im ersten Stock war kein Schlüssel zu finden gewesen, also hatten sie einen Vorschlaghammer genommen. Rebus hatte keine Lust gehabt zu fragen, wen oder was sie hinter einer von außen verschlossenen Tür zu finden hofften. Er bezweifelte, dass es in irgendeiner Weise sachdienlich sein würde. Sachdienlich war im Moment nur eins, nämlich sich an die Bar neben dem Spucknapf zu stellen und einen großen, kalten Drink zu nehmen.
»Haben Sie schon mit Ihrem Boss geredet, Kevin?«
»Es meldet sich immer nur sein Anrufbeantworter.«
»Üble Sache.«
Kevin Strang hätte um ein Haar ein Stück von seinem Glas abgebissen. »Wie meinen Sie das?«
»Schlecht fürs Geschäft.«
»Stimmt, da haben Sie Recht.«
»Mairie sagt, Sie beide wären Freunde?«
»Waren auf derselben Schule. Sie war ein paar Klassen über mir, aber wir spielten beide im Schulorchester.«
»Das ist gut, da haben Sie was, worauf Sie zurückgreifen können.«
»Hä?«
»Wenn Bothwell Sie feuert, können Sie sich immer noch als Straßenmusikant was verdienen. Haben Sie sie gesehen? Mit ihr geredet?«
Kevin wusste, wen er meinte. Er schüttelte schon den Kopf, bevor Rebus mit seiner Frage zu Ende war.
»Nein?«, bohrte Rebus nach. »Sie waren nicht mal ein klitzekleines bisschen neugierig? Wollten nicht eben mal einen Blick auf sie werfen?«
»Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen.«
Rebus schaute quer durch den Saal zu dem Tisch, an dem Mairie gerade von einem der Beamten vom Revier Torphichen vernommen wurde, während ein weiblicher Constable stumm dabeisaß. »Üble Sache«, wiederholte er. Er beugte sich noch ein wenig vor. »Ganz unter uns, Kevin, wem haben Sie davon erzählt?«
»Keiner Menschenseele.«
»Tja, dann sind Sie dran.«
»Wie meinen Sie das?«
»Der Täter hat Millie nicht zufällig gefunden, Kevin. Er wusste , dass sie da war. Nur zwei Personen konnten diese Information weitergegeben haben: Mairie oder Sie. Die Leute von der Abteilung C sind sture Böcke. Sie werden alles über Sie erfahren wollen, Kevin. Sie sind so ziemlich der einzige Verdächtige, den sie haben.«
»Ich bin kein Verdächtiger!«
»Sie ist vor rund sechs Stunden gestorben, Kevin. Wo waren Sie vor sechs Stunden?« Das hatte Rebus aus dem hohlen Bauch behauptet; genau würden sie es erst wissen, wenn der Pathologe die Kerntemperatur gemessen haben würde. Aber er nahm nicht an, mit seiner Schätzung allzu falsch zu liegen.
»Ihnen sag ich überhaupt nichts mehr.«
Rebus lächelte. »Sie sind bloß ’n kleiner Großkotz, Kevin. Schlimmer noch, Sie sind ein gemieteter kleiner Großkotz.« Er machte Anstalten, Kevin Strang die Backe zu tätscheln, aber Strang zuckte zusammen, taumelte zurück und stieß gegen den Spucknapf. Sie sahen zu, wie das Ding umkippte, scheppernd auf den Boden knallte, hin und her rollte und dann liegen blieb. Eine Sekunde lang
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