Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Wunderheilung.«
»O Scheiße.«
»Keine Sorge, die M8 wimmelt in beiden Richtungen von Polizei.«
»Wenn er nach Edinburgh zurückkommt, dürfte das die letzte Straße sein, die er benutzt.«
»Sie glauben, dass er zurückkommt?«
»Wachen Sie auf, Brian, natürlich kommt er zurück. Er muss doch schließlich den Mann umlegen, der seinen Sohn abgeschlachtet hat.«
24
Viel schlief er in dieser Nacht trotz Tee und Whisky nicht. Er saß im Schlafzimmer am Erkerfenster und fragte sich die ganze Zeit, wann Cafferty auftauchen würde. Er starrte unverwandt auf die Treppe draußen vor dem Haus, bis die Dämmerung kam. Als er seinen Entschluss gefasst hatte, fing er an zu packen. Patience setzte sich im Bett auf.
»Ich hoffe, du hast mir ein paar Zeilen dagelassen«, sagte sie.
»Wir fahren beide, nur nicht zusammen. Wie lautet der Text bei einem Notfall?«
»Ich kann dir, glaub ich, nicht ganz folgen.«
»Zum Beispiel, dass man ganz kurzfristig verreisen musste?«
Sie fuhr sich gähnend durch die Haare. »Jemand würde mich vertreten. Was schwebt dir eigentlich vor – mit mir durchbrennen?«
»Ich setz Wasser auf.«
Als er mit zwei Bechern Kaffee aus der Küche zurückkam, stand sie unter der Dusche.
»Was ist los?«, fragte sie nachher, während sie sich trockenrubbelte.
»Du fährst zu deiner Schwester«, erklärte er. »Also trink deinen Kaffee, ruf sie an, zieh dich an und fang an zu packen.«
Sie nahm den Becher, den er ihr reichte. »In dieser Reihenfolge?«
»Die Reihenfolge überlasse ich dir.«
»Und wo fährst du hin?«
»Woandershin.«
»Wer wird das Viehzeugs füttern?«
»Ich organisier schon jemanden, der’s tut, keine Sorge.«
»Ich mach mir keine Sorgen.« Sie trank einen Schluck Kaffee. »Beziehungsweise doch. Was ist denn los?«
»Ein böser Mann kommt in die Stadt.« Da fiel ihm etwas ein. »Siehst du, da ist noch ein alter Film, der mir gefällt: Zwölf Uhr mittags .«
Rebus quartierte sich in einem kleinen Hotel in Bruntsfield ein. Er kannte den Nachtportier und rief zuerst an, um sich zu vergewissern, dass er ihn irgendwo unterbringen konnte.
»Sie haben Glück, ein Einzelzimmer ist noch frei.« »Wie kommt’s, dass Sie nicht ausgebucht sind?«
»Der alte Herr, der darin wohnte und schon seit Jahren herkam, ist gestern Nachmittag an einem Schlaganfall gestorben.«
»Oh.«
»Sie sind doch nicht etwa abergläubisch oder so?«
»Nicht wenn es Ihr einziges Zimmer ist.«
Er stieg die Treppen hinauf zur Straße und sah sich um.
Als die Luft rein zu sein schien, winkte er Patience zu sich herauf. Sie trug ein paar Reisetaschen. Rebus hielt bereits ihren kleinen Koffer in der Hand. Sie verstauten die Sachen im Kofferraum ihres Wagens und umarmten sich hastig.
»Ich ruf dich an«, sagte er. »Versuch nicht, mich zu erreichen.«
»John …«
»Vertrau mir nur dieses eine Mal, Patience, bitte.«
Er sah ihr nach, bis das Auto verschwunden war, und blieb dann noch eine Zeit lang da stehen, um sicherzugehen, dass ihr niemand folgte. Absolut sicher konnte er natürlich nicht sein. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass sie sich auf der Queensferry Road an sie dranhängten. Cafferty würde nicht zögern, sie – oder wen auch immer – zu benutzen, um an ihn ranzukommen. Rebus holte seine Reisetasche aus der Wohnung, schloss alles ab, blieb kurz an der Nachbarstür stehen und schob einen Umschlag durch den Briefkastenschlitz. Darin befanden sich ein Wohnungsschlüssel und Instruktionen zur Fütterung des Katers, des Wellensittichs und des Goldfisches. Dann ging er zum Auto.
Es war noch immer früh am Morgen und die ruhigen Straßen denkbar ungeeignet für eine Beschattung. Trotzdem nahm er jeden Schleichweg, der ihm einfiel. Das Hotel war ein großes, altes Einfamilienwohnhaus, das in ein kleines Familienhotel umgewandelt worden war. Den ehemaligen Vorgarten hatte man asphaltiert, um einen Parkplatz für ein halbes Dutzend Autos zu schaffen. Rebus aber fuhr hinters Haus und stellte sein Auto auf den Angestelltenparkplatz. Monty, der Nachtportier, ließ ihn durch die Hintertür herein und führte ihn dann direkt in sein Zimmer. Es war ganz oben unterm Dach und nur über eine der knarrendsten Treppen zu erreichen, die Rebus je unter den Sohlen gehabt hatte. Niemand würde es schaffen, sich da hochzuschleichen, ohne dass er und der Holzwurm es mitbekamen.
Er legte sich auf die wuchtige Bettstatt und fragte sich, ob auf dem Bett eines Toten zu liegen so war, als schlüpfe
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