Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
auf ’nem Barhocker trinken,
wenn’s Ihnen recht ist.«
Rebus hatte sich die Tanzfläche gründlich angesehen.
Mairie war nicht da, was bedeutete, dass sie entweder bei
den Honchettes saß oder in irgendeinem Hinterzimmer.
Blieb die Frage, was sie in einem Hinterzimmer von Frankie Bothwells Klub tun mochte.
»So«, fragte Kevin Strang, »was suchen Sie nun genau?« »Wie gesagt, eine Freundin. Sie meinte, sie würde hier
sein. Möglich, dass ich mich ein bisschen verspätet habe.« »Fängt gerade erst an, sich richtig zu füllen. Wir haben
noch zwei Stunden geöffnet. Was trinken Sie?« Sie standen
jetzt an der Theke. Das Barpersonal trug weiße Schürzen,
die Brust und Beine bedeckten, und goldfarbene Bänder an den Ärmeln, die die Manschetten daran hinderten, zu weit
hinunterzurutschen.
»Ist das, damit sie keine Scheine verschwinden lassen
können?«, fragte Rebus.
»Hier betrügt niemand die Geschäftsführung.« Einer der
Barkeeper ließ den Gast stehen, den er gerade bediente, um
Kevin Strangs Wünsche entgegenzunehmen.
»Nur ein Bier, bitte«, sagte Rebus.
»Vom Fass? Wir schenken nur halbe Pints aus.«
»Wieso?«
»Da ist die Verdienstspanne größer.«
»Eine ehrliche Antwort. Ich nehm eine Flasche Beck’s.«
Er sah wieder auf die Tanzfläche. »So viele Cowboys auf
einem Haufen habe ich zuletzt auf einem Kindergeburtstag
gesehen.«
Die Musik wurde allmählich leiser. Strang klopfte Rebus
auf den Rücken. »Jetzt bin ich dran«, sagte er. »Viel Spaß
noch.«
Er schlängelte sich zwischen den Tänzern hindurch zur
Bühne, kletterte hinauf und klopfte auf das Mikrophon, so
dass die Lautsprecheranlage einmal kurz aufdröhnte. Rebus
wusste nicht, was er eigentlich erwartete. Vielleicht würde
Strang die Figuren des nächsten Squaredance ansagen. Aber
nein, er sprach lediglich mit so leiser Stimme, dass die Leute
ganz still sein mussten, um ihn zu verstehen. Rebus sagte Kevin Strang keine allzu große Zukunft als Geschäftsführer des
Crazy Hose voraus.
»Burschen und Weibsbilder, es ist mir ein Vergnügen, Sie
alle hier im Crazy Hose Saloon begrüßen zu dürfen. Und
jetzt bitte einen Riesenapplaus für die Kapelle, die uns heute
Abend in Schwung bringen wird … Chaparral !«
Von wohlwollendem Beifall begleitet, erschien die Band
durch eine Tür im Hintergrund der Bühne. Ein paar Automatenjunkies waren aus dem Foyer hereingekommen. Die Band war ein Six-pack, das kaum auf die Bühne passte: Gitarre/Gesang, Bass, Schlagzeug, noch eine Gitarre und zwei Background-Sängerinnen. Sie nahmen ihre erste Nummer etwas unsicher in Angriff, hatten sich aber schon ganz ordentlich warm gespielt, als sie das Ende erreichten und Rebus, der sein Bier ausgetrunken hatte, sich gerade überlegte,
ob er nicht gehen sollte.
Da sah er Mairie.
Kein Wunder, dass sie einen Regenmantel getragen hatte.
Darunter hatte sie offenbar einen troddelbesetzten schwarzen Rock, eine braune Lederweste und eine weiße Bluse angehabt, die direkt über dem Brustansatz und um die Schultern ausgeschnitten war und eine Menge nacktes Fleisch
sehen ließ. Einen Stetson trug sie zwar nicht, dafür aber ein
rotes Tuch um den Hals; und sie sang sich die Seele aus dem
Leib.
Sie war eine der Background-Sängerinnen.
Rebus bestellte sich noch was zu trinken und starrte mit
offenem Mund auf die Bühne. Nach ein paar Songs schaffte
er es schon, Mairies Stimme herauszuhören. Ihm fiel auf,
dass die meisten Männer die andere Sängerin anstarrten. Sie
war viel größer als Mairie und hatte langes, glattes schwarzes Haar und einen weit kürzeren Rock. Aber die bessere
Sängerin war Mairie. Sie sang mit geschlossenen Augen und
wiegte sich dabei leicht in den Hüften. Ihre Partnerin vollführte allerlei ausdrucksvolle Gesten, aber ohne großes musikalisches Resultat.
Nach ihrem vierten Stück plauderte der Sänger/Gitarrist ein bisschen, während die übrigen Bandmitglieder verschnauften, nachstimmten, sich die Kehle befeuchteten oder
das Gesicht abtrockneten. Rebus hatte keine Ahnung von
Country-and-Western-Musik, aber die Chaparral schienen
ziemlich gut zu sein. Die dudelten nicht einfach irgendwelchen Schmalz über treue Hunde, sterbende Gesponse oder Männer, zu denen man zu stehen habe. Die Songs hatten einen härteren, sehr städtischen Sound und dazu passende
Texte.
»Und wenn ihr Hal Ketchum nicht kennt«, sagte der Sänger jetzt, »dann solltet ihr diese
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