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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Ihre Adresse geben könnten …«
    Die Leute aus dem Viertel nannten ihn den »Fleischmarkt«, weil er sich ganz in der Nähe des Schlachthofs befand. Um die Mittagszeit kamen Arbeiter aus dem Schlachthof auf ein Bier, eine Pastete und eine Zigarette vorbei. Manchmal waren sie mit Blut bespritzt; den Wirt kümmerte das nicht. Er war früher selbst einer von ihnen gewesen, hatte in einer Hühnerfabrik die Pressluftpistole bedient. Die an einem Kompressor befestigte Pistole hatte mehreren hundert betäubten Hühnern pro Stunde die Köpfe weggepustet. Den »Fleischmarkt« führte er mit derselben unerschütterlichen Gelassenheit.
    Es war nicht Mittagszeit, und so war im »Markt« nicht viel los – zwei alte Männer, die an jeweils entgegengesetzten Enden der Theke saßen, Halbe pichelten und sich so demonstrativ ignorierten, dass irgendetwas zwischen ihnen sein musste, und zwei arbeitslose Jugendliche, die Pool spielten und jede Partie mit Pausen zwischen den Stößen, die einem Schachgroßmeister alle Ehre gemacht hätten, nach Kräften in die Länge zogen. Schließlich war da noch ein Mann mit funkelndem Blick. Der Wirt ließ ihn nicht aus den Augen. Er erkannte potenziellen Ärger auf den ersten Blick. Der Mann trank Whisky mit Wasser. Er sah wie der typische Trinker aus, dem man, wenn er erst mal abgefüllt ist, ungern in die Quere kommt. Momentan schien er diesen Zustand allerdings nicht anzustreben; er zog den einen Drink sichtlich in die Länge. Er sah aber nicht so aus, als bereite ihm das Trinken Freude. Schließlich war sein Glas leer.
    »Machen Sie’s gut«, sagte der Wirt.

    »Danke«, sagte John Rebus und öffnete die Tür.

    Schlachthofarbeiter sind eine Sorte für sich.
    Sie arbeiteten inmitten von Gehirnen und Gedärmen, dickem Blut und Scheiße, in einer sterilen Umgebung aus weißgetünchten Wänden und Dudelmusik. Von der Decke hing eine gigantische elektrische Vorrichtung herab, die den Gestank absaugte und frische Luft hereinpumpte. Der junge Mann, der den Boden abspritzte, tat das so geschickt, dass das Blut ausschließlich in den Abfluss und nirgendwohin sonst floss. Anschließend verringerte er den Wasserdruck und spritzte sich die schwarzen Gummistiefel ab. Er trug, wie die meisten der anderen im Raum, eine weiße gummierte Schürze, die Brust und Bauch bedeckte und bis hinunter zu den Knien reichte. Bei Schürzen musste Rebus immer an Barkeeper, Maurer und Metzger denken. Als er den Raum durchquerte, fielen ihm allerdings nur Letztere ein.
    Momentan arbeiteten sie mit Rindern. Die Kühe sahen jung und ängstlich aus mit ihren weit aufgerissenen Augen. Wahrscheinlich hatte man ihnen schon Muskelrelaxanzien injiziert, denn sie bewegten sich durchweg wie betrunken. Ein Stromstoß hinter dem Ohr betäubte sie eine nach der anderen, und rasch setzte ihnen der Mann mit dem Bolzenschussgerät die Mündung seines Werkzeugs an die Stirn. Als Erstes schienen ihre Hinterbeine wegzubrechen. Schon schwand das Licht aus ihren Augen.
    Man hatte ihm gesagt, Davey Soutar arbeite am hinteren Ende der Anlage, also musste er irgendwie das geschäftige Treiben in der Mitte durchqueren. Mit Blut bespritzte Männer und Frauen lächelten und nickten ihm zu, als er an ihnen vorüberkam. Sie trugen alle Hauben, damit ihre Haare sich nicht ins Fleisch verirrten. Oder vielleicht auch umgekehrt.
    Soutar stand, lässig angelehnt, an der rückwärtigen Wand, die Hände hinter dem Latz seiner Schürze verborgen. Er redete gerade mit einem Mädchen, baggerte sie möglicherweise an.
    Die Romantik ist also doch noch nicht ausgestorben, dachte Rebus.
    Dann entdeckte ihn Soutar, gerade in dem Moment, als Rebus auf einer nassen Stelle des Fußbodens ausrutschte. Soutar schien wie ein in die Enge getriebenes Tier den Kopf zu heben und die Augen zu rollen. Dann schoss er vor und hob von einem blanken Metalltisch etwas auf. Er fummelte daran herum, während Rebus auf ihn zukam. Erst als Soutar zielte und das Mädchen aufschrie, begriff Rebus, dass es ein Bolzenschussgerät war. Es ertönte ein Geräusch wie von einem Vorschlaghammer, der auf einen Stahlträger knallt. Der Bolzen kam angesaust, aber Rebus konnte ihm ausweichen. Soutar schleuderte ihm das Schussgerät entgegen, rannte dann sofort nach hinten zum Notausgang und schlug auf dessen Verriegelung. Die Tür schwang auf und schloss sich dann automatisch wieder hinter ihm. Das Mädchen kreischte noch immer, als Rebus auf sie zugerannt kam, den waagerechten Hebel betätigte, um

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