Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
ein.
Abernethy zuckte die Achseln. »Ich bin ein guter Schauspieler. Als Sie sich Inspector Rebus ausliehen, wusste ich, dass Sie ihn als eine Bedrohung betrachteten. Zum Glück gelangte er selbst zu demselben Schluss.« Abernethy spähte in den Umschlag mit den Fotos. »Und hier ist das Resultat.«
»Wissen Sie, was komisch ist, Sir?«, fragte Rebus. »Als wir über ›Sword and Shield‹ sprachen, das alte ›Sword and Shield‹, meine ich, da haben Sie mit keinem Wort erwähnt, dass Sie da Mitglied gewesen waren.«
»Was?«
»Sie hatten nicht angenommen, dass es noch Unterlagen geben würde, aber ich habe welche aufgetrieben. Anfang der Sechziger waren Sie in deren Jugendorganisation. Um dieselbe Zeit wie Frankie Bothwell. Wie gesagt, komisch, dass Sie das nie erwähnt haben.«
»Ich hab es nicht für relevant gehalten.«
»Dann wurde ich von jemandem angegriffen, der mich aus dem Weg zu räumen versuchte. Der Mann war ein Profi, darauf gehe ich jede Wette ein, ein Straßenschläger mit einem Rasiermesser. Er hatte einen Glasgower Akzent. Während Ihrer Dienstzeit müssen Sie dort ein paar richtig schwere Jungs kennen gelernt haben.«
»Sie glauben, ich habe ihn angeheuert?«
»Mit allem Respekt, Sir« – Rebus starrte Kilpatrick direkt in die Augen –, »Sie müssen total übergeschnappt sein.«
»Wahnsinn ist eine Sache des Kopfes, nicht des Blutes, des Herzens.« Kilpatrick lehnte sich gegen eine Kiste. »Sie bilden sich ein, Sie könnten Abernethy vertrauen, John? Na, dann viel Glück. Ich warte.«
»Worauf?«
»Auf Ihren nächsten Taschenspielertrick.« Er lächelte. »Wenn Sie mir ein Verfahren anhängen wollten, hätten wir uns nicht hier, nicht unter diesen Umständen getroffen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ein falscher Eintrag in einem alten Mitgliederverzeichnis und ein harmloses Foto nicht für ein Verfahren reichen. Sie reichen für gar nichts.«
»Man könnte Sie immerhin aus der Truppe rauswerfen.«
»Bei meinen früheren Leistungen? Nein, ich könnte mich vielleicht in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen, sagen wir, aus gesundheitlichen Gründen, aber niemand wird mich feuern. So läuft das nicht, und ich hatte eigentlich gedacht, zwei erfahrene Beamte wie Sie würden das wissen. Jetzt beantworten Sie mir eine Frage, Inspector Rebus. Sie haben eine nicht genehmigte Observierung angeordnet: Wie viel Ärger kann das Ihnen einbringen? Bei Ihrer Latte von Abmahnungen wegen Insubordination und Missachtung der Vorschriften könnten wir Sie schon wegen nicht vorschriftsmäßigen Arschwischens feuern.« Er stand von der Kiste auf und ging zur Kante des Laderaums, dann sprang er hinunter und wandte sich wieder den beiden zu. »Sie haben überhaupt nichts gegen mich in der Hand. Wenn Sie Ihr Spielchen bei jemand anders versuchen möchten, sind Sie herzlich willkommen.«
»Sie eiskalter Mistkerl«, sagte Abernethy. Er brachte es fertig, es wie ein Kompliment klingen zu lassen. Er trat an die Kante und stellte sich vor Kilpatrick, dann begann er langsam, sein Hemd aus der Hose zu ziehen. Er streifte es hoch, bis nacktes Fleisch, Heftpflaster und Kabel sichtbar wurden. Er war verdrahtet. Kilpatrick starrte ihn an.
»Möchten Sie dem noch etwas hinzufügen, Sir?«, sagte Abernethy. Kilpatrick drehte sich auf dem Absatz um und ging. Abernethy wandte sich zu Rebus. »Plötzlich so wortkarg, nicht?«
Rebus sprang vom Laster und ging mit raschen Schritten zur Tür. Kilpatrick stieg gerade in sein Auto ein, hielt aber inne, als er ihn kommen sah.
»Bislang drei Morde«, sagte Rebus. »Einer davon an einem Polizeibeamten, einem Ihrer eigenen Leute. Das ist ein Wahnsinn des Blutes.«
»Das war ich nicht«, sagte Kilpatrick ruhig.
»Doch«, sagte Rebus. »Ohne Sie wäre nichts davon geschehen.«
»Es ist mir schleierhaft, wie sie auf Calumn Smylie gekommen sind.«
»Sie dringen in fremde Rechner ein. Ihre Sekretärin benutzt einen.«
Kilpatrick nickte. »Und im Computer gibt’s eine Datei über die Operation.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Hören Sie, Rebus …« Aber dann unterbrach er sich. Er schüttelte noch einmal den Kopf, stieg ins Auto und schloss die Tür.
Rebus beugte sich zum Fahrerfenster hinunter und wartete, bis Kilpatrick es heruntergekurbelt hatte.
»Abernethy hat mir gesagt, worum es eigentlich geht, warum die Loyalisten sich auf einmal bewaffnen. Es geht um Harland and Wolff.« Harland and Wolff war eine Belfaster Schiffswerft, die auch die »Titanic«
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