Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Stirn.
»Calumn?« Rebus schüttelte seinen Kater ab. »Calumn Smylie?« Er sah den großen, kräftigen Mann vor sich, wie er zusammen mit seinem Bruder im Laderaum des Lkws gestanden hatte. Versuchte, ihn sich tot vorzustellen, schaffte es aber nicht. Besonders nicht hier, in einem Keller …
Kilpatrick schneuzte sich lautstark die Nase. »Ich werde jetzt besser zurückfahren und es Ken beibringen.«
»Nicht nötig, Sir.«
Ken Smylie stand oben auf dem Bürgersteig und hielt das schwarzglänzende Geländer umklammert. Er sah so aus, als würde er das Ding jeden Augenblick aus dem Boden rei- ßen. Stattdessen legte er den Kopf in den Nacken und stieß einen gellenden Schrei aus, der sich immer höher in den Himmel schraubte, während es leicht zu nieseln begann.
Der Chief musste Smylie ausdrücklich befehlen, nach Hause zu gehen – anders hätte man ihn nicht wegbekommen. Im Büro bewegten sich alle wie Roboter. D.C.I. Kilpatrick musste eine Reihe von Entscheidungen fällen, zuerst und vor allem, ob die zwei Morde als ein einziger Fall zu behandeln seien.
»Er wurde erstochen«, erklärte er Rebus. »Keine Anzeichen für einen Kampf, mit Sicherheit keine Folterung, nichts in der Richtung.« In seiner Stimme schwang Erleichterung mit, die Rebus durchaus nachvollziehen konnte. »Erstochen und entsorgt. Der oder die Täter haben wahrscheinlich das Schild ›Zu verkaufen‹ an der Treppe zur Wohnung gesehen und sich ausgerechnet, dass es eine Weile dauern würde, bis man die Leiche findet.« Er hatte aus der untersten Schublade seines Schreibtisches eine Flasche Laphroaig Single Malt hervorgeholt und goss sich ein Glas ein.
»Rein als Medizin«, meinte er. Aber Rebus lehnte dankend ab. Er hatte drei Paracetamoltabletten geschluckt und mit pappsüßem Irn-Bru runtergespült. Ihm fiel auf, dass der Pegel in der Whiskyflasche ziemlich niedrig war. Kilpatrick musste einen verschreibfreudigen Hausarzt haben.
»Sie glauben, seine Deckung ist aufgeflogen?«
»Was sonst?«, antwortete Kilpatrick und ließ noch ein wenig Malt in sein Glas tröpfeln.
»In dem Fall hätte ich eine weitere Hinrichtung erwartet, etwas mehr in Richtung eines Rituals.«
»Ritual?« Kilpatrick dachte darüber nach. »Er wurde ja nicht dort ermordet. Der Pathologe meint, dazu hätten sie zu wenig Blut gefunden. Vielleicht haben die ihr ›Ritual‹ da abgehalten, wo sie ihn umgebracht haben. Verdammt, und ich hab ihn allein da rausgeschickt!« Er holte ein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase, dann atmete er tief durch. »Nun denn, ich muss eine Morduntersuchung in Gang bringen, die hohen Bosse werden Fragen stellen.«
»Ja, Sir.« Rebus erhob sich, blieb aber an der Tür stehen. »Zwei Morde, zwei Keller, zweimal etliche Bauarbeiter.«
Kilpatrick nickte und schwieg. Rebus öffnete die Tür.
»Sir, wer wusste über Calumn Bescheid?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wer wusste, dass er verdeckt ermittelte? Nur dieses Büro oder sonst noch jemand?«
Kilpatrick runzelte die Stirn. »Zum Beispiel?«
»Na, der Special Branch?«
»Nur dieses Büro«, sagte Kilpatrick leise. Rebus wandte sich wieder zur Tür. »John, was haben Sie in Belfast erfahren?«
»Dass ›Sword and Shield‹ tatsächlich existiert und der RUC bekannt ist, dass die Gruppe hier auf dem Festland operiert. Und dass der Special Branch in London darüber informiert wurde.« Er schwieg kurz. »Dass D.I. Abernethy wahrscheinlich alles darüber weiß.«
Und damit verließ Rebus das Zimmer. Kilpatrick starrte eine geschlagene Minute lang auf die Tür.
»Allmächtiger Gott!«, sagte er. Sein Telefon klingelte. Es dauerte eine Weile, bis er reagierte.
»Ist das wahr?«, fragte Brian Holmes. Auch Siobhan Clarke wartete auf eine Antwort.
»Ja«, sagte Rebus. Sie befanden sich im Mord-Zimmer in St. Leonard’s. »Er war an einer Sache dran, die ohne weiteres mit Billy Cunningham zusammenhängen könnte.«
»Also was nun, Sir?«
»Wir müssen noch mal mit Millie und Murdock reden.« »Wir haben mit ihnen geredet.«
»Deswegen sagte ich ja auch ›noch mal‹. Sind Sie taub?
Und anschließend werden wir einen kleinen Plausch mit ein paar Jaffas abhalten.«
»Jaffas?«
Rebus sah Siobhan Clarke tadelnd an. »Wie lange leben Sie schon hier? Jaffas sind Orangemen.«
»Die Orange Lodge?«, wollte Holmes wissen. »Was können die uns schon sagen?«
»Wenn sonst nichts, dann das Datum der Schlacht am Boyne.«
»1690, Inspector.«
»Ja, Sir.«
»Das Datum bedeutet natürlich
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