Raphael
die ständig.“
Seine Mundwinkel zucken verdächtig und da bin ich mir sicher, dass er mich nur veralbert. Gott sei Dank. Ich kann Raphael eine Menge nachsagen, aber ein Stümper in Sachen Mode ist er garantiert nicht. Da fällt mir etwas ein. Vielleicht schämt er sich für mein eher schlampiges Aussehen und hat Benedict deswegen nachgegeben. Ich könnte es verstehen. Gegen ihn sehe ich oft aus wie aus einem Müllcontainer gezogen, denn Raphael liebt teure Anzüge und ihm stehen sie. Aber muss ich deshalb auch welche tragen? Bitte nicht. Alles hat seine Grenzen und bei mir gehören dreiteilige Anzüge definitiv dazu.
„Schön für dich“, meine ich und ziehe mir gleichzeitig ein tiefblaues Hemd über, das mehr mein Fall ist. Wenn ich unbedingt Hemden anziehen soll, dann wenigstens solche, die ich mir selbst ausgesucht habe. „Behalt' du es, wenn es dir so gefällt. Ich nehme lieber das hier.“
Raphael grinst. „Ich bezahle, du ziehst an.“
Wir sehen uns an und lachen dann schallend los. Von wegen bezahlen. Wir haben uns vor einer Stunde des Einbruchs in das Gebäude und des eiskalten Mordes an zwei uralten Wachmännern schuldig gemacht, die, ihrem Aussehen nach zu urteilen, mindestens Hundert gewesen sind und auch so geschmeckt haben, und er redet vom Bezahlen. Manchmal ist Raphael ein Spinner, aber er hat seine Momente, das muss ich ihm lassen. Sie sind selten, aber es gibt sie.
Da fällt mir ein, er muss mir beibringen, wie er das mit dem Dietrich angestellt hat, ohne die Alarmanlage in Gang zu setzen. Wie er die fünf Überwachungskameras ausgeschaltet hat, interessiert mich auch. Aber fürs Erste begnüge ich mich mit einem entsetzten Blick, weil er auf einmal ein Paar Halbschuhe aus Leder hinter seinem Rücken hervorholt.
„Oh nein. Tu mir das nicht an“, flehe ich mit meinem perfektem Augenaufschlag, der heute nicht funktioniert, denn Raphael fängt hämisch an zu grinsen.
„Gute Kleidung bedeutet gleichzeitig auch anständige Schuhe. Los, anprobieren.“
Es ist fast Morgen, als wir, beladen mit unzähligen Tüten Kleidung für mich, den Abwassertunnel verlassen und uns auf den Heimweg machen. Ich muss gestehen, der Anzug trägt sich angenehm. Raphael versteht etwas von Klamotten und er sieht wieder umwerfend in seinem Dreiteiler aus. Unsere eigentlichen Sachen haben wir mit den Wachmännern entsorgt.
Den Verlust, sowohl von der Kleidung, als auch von seinen Wachleuten, dürfte morgen früh der Besitzer des Einkaufscenters haben. Wir haben übrigens weder das Blut weggewischt, noch die Herrenabteilung aufgeräumt. Ich wette, das gibt spätestens übermorgen eine saftige Schlagzeile in der Zeitung.
„Raphael, was sollte das eigentlich mit den Sachen?“, breche ich das eingetretene Schweigen. „Wen stört es, wenn ich Jeans trage? Mal abgesehen von Kincade.“
„Kincade.“
„Aha“, mache ich und bin genauso schlau wie zuvor.
Wenigstens konnte ich Raphael davon abbringen, mir schwarzen Halbschuhe aus Leder aufs Auge zu drücken. Stattdessen liegen mehrere Paar Slipper und Stiefel in der Tüte in meiner linken Hand.
Was für ein Aufwand wegen neuer Klamotten. Ich bin ein Vampir, kein schnöseliger Geschäftsmann, der solche Sachen wegen seines Berufs tragen muss. Ich vermisse meine alten Chucks. Hoffentlich kann ich mich mit den Turnschuhen anfreunden, die ich heimlich eingesteckt habe, und das schwarze Jackett ist auch nicht hässlich. Obwohl das eher Raphael stehen dürfte. Ach, was soll's. Dann tue ich ihm halt den Gefallen und achte in Zukunft ein bisschen mehr darauf, was ich am Morgen aus dem Kleiderschrank nehme.
Während ich mich in mein Schicksal füge, erinnere ich mich plötzlich, worüber ich vorhin nachgedacht habe. „Raphael? War es wirklich nur wegen Kincade, weil er es angeordnet hat, oder ist dir peinlich, wie ich rumlaufe?“
„Vergiss es“, murrt er und schaut stur geradeaus.
Mist. Es ist ihm peinlich. Was soll ich dazu sagen? Ich belasse es bei einem Wort. „Okay.“
Daraufhin seufzt Raphael und wirft mir anschließend einen tadelnden Seitenblick zu. „Caine, man fragt einen Benedict Kincade nicht nach Gründen für Befehle, die er erteilt, verstanden? Was glaubst du, warum ich zu seiner 'Einladung' nichts gesagt habe? Er will, dass du ab sofort vernünftige Kleider trägst, also trägst du sie. In ein paar Jahren hat er einen neuen Jüngling gefunden, der ihn interessiert, dann kannst du meinetwegen auch wieder anziehen, was du willst. Mir ist das
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