Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
räusperte sich und sagte: »Sehr geehrte Damen und Herren, liebes Publikum …, ich möchte Ihnen heute eine Kollegin aus Berlin vorstellen, die mich von einem ihrer Projekte überzeugen konnte. Dieses Projekt ist ein Theaterstück eines Grimmschen Märchens, das Ende dieses Jahres in Berlin seine Premiere feiern wird.« Er holte tief Luft und wies zu seiner Linken. »Begrüßen Sie mit mir recht herzlich die Leiterin der Berliner Theaterschule und des Berliner Theaters Carl-Sebastian-Mutsch, Marianne Knödelmeyer.«
Die Knödelmeyer? Mir stockte der Atem! Was um alles inder Welt wollte die hier? Ich hoffte inständig, dass die Knödelmeyer nicht Teil meiner Überraschung war. Doch! War sie! Der Rügener Theaterleiter applaudierte seiner Kollegin, als sie erklärte, dass es im nächsten Jahr eine Zusammenarbeit beider Theater geben würde.
»Hintergrund ist die Aufführung des Theaterstückes Rapunzel, welches einmal wöchentlich am Putbuser Theater aufgeführt werden soll«, fuhr die Knödelmeyer fort. »Die Hauptrolle wird, und darüber freue ich mich ganz besonders, eine junge talentierte Schauspielschülerin meiner Gruppe besetzen.« Dann zeigte sie auf mich.
Ich? Woher weiß sie, wo ich sitze? Alle Lampenspots des Theaters waren plötzlich auf mich gerichtet. Schweiß drückte sich aus jeder meiner Poren, während mein Herz hörbar gegen meine Brust schlug.
»Jessica Waldmann! Darf ich Sie auf die Bühne bitten«, rief Marianne Knödelmeyer ins Mikrofon. Das Publikum johlte und klatschte. Prima! Die Tarnung hätte ich mir echt sparen können!
Gott, was für ein Abend! Da freute man sich auf einen ruhigen Theaterabend und landete auf der Bühne, gefeiert und bejubelt. Ausgerechnet im gepressten Outfit. Zum Glück hatte niemand die Presse informiert, so dass mir Wurstbilder von mir erspart bleiben würden. Ich lehnte mich zurück und genoss die harmonische Atmosphäre des Theaterrestaurants. Vor mir auf dem Tisch lag ein Vertrag vom Theaterleiter. Und ich sollte die Hauptrolle spielen – das Rapunzel im Märchen verkörpern. Ich schüttete den Cola-Whisky in mich hinein, den sich eigentlich Richard bestellt hatte. Er brauchte den Alkohol, um mir was Wichtiges zu sagen. Gewiss war er doch bei diesem Test und würde mir jetzt erklären, dass er … Nein! Er sah überhauptnicht todkrank aus. »Schieß los«, sagte ich zu ihm und kniff die Augen zusammen.
»Ich habe mich verlobt.«
»Was?« Ich öffnete meine Augen wieder und starrte ihn an. »Hast du ’nen Knall! Ich denke, du erzählst mir jetzt was vom Sensenmann oder so, und du kommst mit Verlobung?«
»Entschuldige, dass ich nicht sterbe!«, erwiderte Richard eingeschnappt und griff sich im Gegenzug mein Glas Wein.
Hendrik grinste nur in sein Bier hinein, während die Mädels sich um Sarah versammelten.
»Du stirbst nicht?«, fragte ich vorsichtshalber noch einmal nach, bevor ich mit einem kreischenden Sprung auf seinen Schoß hüpfte. »Das ist so wunderbar«, murmelte ich glücklich und drückte meinen besten Freund fast zu Tode.
»Meine Güte, Schätzchen, hast du etwa zugenommen?«, lüftete Richard-Plappertasche lautstark mein Geheimnis.
Ich warf ihm einen zornigen Blick zu. »Die paar Gramm«, versuchte ich vom tatsächlichen Gewicht abzulenken, was aber nicht funktionierte. Denn gerade als mir ein supergutes Argument für die paar Gramm einfiel, warf Ortrud sich mir um den Hals und brüllte: »Unser Rapunzelchen wird Mutter!«
Werde ich? Wieso wusste ich davon nichts? Gewiss ein übler Geburtstagsscherz, versuchte ich mir einzureden. Oder doch nur zu viel Alkohol? Aber Sarah knallte den Schwangerschaftstest mitten auf den Tisch und schrie dem Kellner zu: »Eine Flasche Sekt! Ach was, bringen Sie gleich zwei.«
Hendrik begann hemmungslos zu heulen und umarmte mich, während ich immer noch apathisch auf den Schwangerschaftstest starrte. Störte es denn niemanden, dass daUrin dran war? Aber offenbar war ich die Einzige, die sich über den unappetitlichen Test-Stift Gedanken machte. Neben mir knallten die Sektkorken, während sich Richard dazu bereit erklärte, mir endlich seinen Freund vorzustellen. Er tippte eine SMS in sein Handy und grinste mich an.
»Er ist hier?«, fragte ich voller Neugier. »Wo?«
Doch er küsste mich nur, stand auf und sagte: »Ich bin gleich wieder da.«
Hatte er etwa seinen Verlobten im Auto sitzen lassen? Die ganze Zeit über? Oder hatte er ihn noch in der Einkaufstüte und musste ihn erst aufblasen? Kichernd
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