Rasant und Unwiderstehlich
einer Hand auf der Maus. Junge, hast du einen leichten Job , dachte Brett verbittert. Am Arbeitsplatz Thunfischbrote verputzen, den ganzen Tag im Netz nach Sleepy-Hollow-Pornoseiten surfen und ab und zu mal einen Schüler rauswerfen. »Ich würde Ihnen ja wirklich gerne behilflich sein.«
»Ich bin aber Klassensprecherin …«, machte Brett einen zweiten Anlauf.
»Ja, das ist mir wohl bewusst«, fiel Mr Tomkins ihr ins Wort. Diesmal sah er gar nicht vom Bildschirm auf, und Brett hatte das Gefühl, dass er insgeheim mit einem Solitär-Spiel beschäftigt war.
»… und ich habe das Recht, zu wissen, warum ich zu den Verdächtigen gehöre.« Brett wurde rot. Sie war etwas besorgt, weil sie so offen im eigenen Interesse verhandelte, besonders nachdem sie vorgegeben hatte, die gesamte Klasse zu vertreten. Aber es war ja sonst niemand im Vorzimmer, und wenn der Dekan sie hörte, auch gut, dann ließ er sie vielleicht herein.
»Es tut mir leid«, sagte Mr Tomkins, der so klang, als ob ihm nichts weniger leidtat. »In der Sache kann ich keine Auskunft erteilen.« Er hatte ein selbstgerechtes Ich-weiß-was-was-du-nicht-weißt-Lächeln auf dem Gesicht, und Brett wollte ihm nicht die Genugtuung geben, ihn um »Erteilung« dieser »Auskunft« anzubetteln. Gerade wollte sie sich umdrehen und gehen, als Mr Tomkins zu ihrer Überraschung die Stimme zum Flüsterton senkte. »Aber ich vermute, dass einige der Schüler auf der Liste stehen, weil sie in letzter Zeit unangenehm aufgefallen sind.«
Eine halbe Sekunde lang dachte Brett, dass er damit Heath meinen musste. Oder Tinsley. Oder sogar Jenny, die das Thema unzähliger Gespräche zu sein schien, zusammen mit Easy und Callie.
Doch als sie seine bedeutsam hochgezogenen Augenbrauen sah, begriff sie, dass Mr Tomkins sie meinte. Ihr sackte das Herz in die Kniekehlen. Sie machen wohl schlechte Witze! , wollte sie Mr Tomkins anschreien, der so tat, als würde er ihr entsetztes Gesicht nicht bemerken. Ich stehe auf der Liste, weil ich mich nicht in mein Zimmer einschließe und die ganze Zeit lerne? Ich stehe auf der Liste, weil meine Mitschülerinnen über mich geklatscht haben? Ich stehe auf der Liste, weil ich ein anderes Mädchen geküsst habe? Wie war so etwas nur möglich ? Geschockt und mit schlotternden Knien stolperte Brett aus dem Vorzimmer und scherte sich nicht einmal darum, Auf Wiedersehen zu sagen.
Draußen auf dem Gang ließ sie sich auf die harte Holzbank sinken, auf der schon zahllose Missetäter hatten warten müssen, während Marymount ganz nach Belieben über ihr Schicksal entschied. Vor ihr tauchte das Bild von Dekan Marymount, Mr Tomkins und einer Gruppe anderer Lehrer auf, die schadenfroh um ein Waverly-Jahrbuch versammelt waren, mit dem Finger auf die Bilder deuteten und frohlockten, wenn sie jemanden entdeckt hatten, der angemessen schuldig aussah. Sie konnte förmlich ihre Gesichter sehen, als sie zu ihrem Foto kamen. Mr Tomkins würde an seiner Kürbis-Krawatte ziehen.
»Hmmm, jawohl.« Dekan Marymount würde sich über seine spärlichen, quer über die Glatze gekämmten Haare streichen. »Oberflächliche, lesbisch veranlagte Zündlerin. Auch wenn sie die Klassensprecherin der Elften ist, setzen wir sie lieber mal auf die Liste.« Dann würde er weise nicken und ihren Namen in unlöschbarer Tinte aufschreiben, das Wort schuldig unterstrichen daneben.
Eulen.Net SMS-Eingang
KaraWhalen:
sollen wir nachher zusammen zu diesem offiziellen abendessen gehen?
BrettMesserschmidt:
ich lass mir vielleicht lieber was kommen …
KaraWhalen:
wieso das denn?
BrettMesserschmidt:
möchte mich lieber bedeckt halten.
KaraWhalen:
hey, jetzt mach dir mal keine sorgen. wir stehn zwar auf der liste, aber wir haben schließlich nichts angestellt, oder?
BrettMesserschmidt:
kommt drauf an, wen du fragst.
12
Eine Waverly-Eule punktet, wo sie kann
Tinsley ging über den Kiesweg auf Dumbarton zu, ihre weißen Ledertennisschuhe von Prince dämpften jeden Schritt. Das Training war heute noch amüsanter gewesen als sonst. Miss Nemerov, die drahtige russische Trainerin mit dem maskulinen Touch, hatte Tinsley wegen der lästigen Listen-Geschichte mit unverhohlener Sonderzuwendung bedacht, so geschockt war sie von der Vorstellung, dass ihr die Starspielerin abhandenkommen könnte. Sie hatte Tinsley sogar zur Seite genommen und angeboten, beim Dekan ein gutes Wort für sie einzulegen. Tinsley hatte höflich abgelehnt. Sie kam
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