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Rasheed, Leila

Rasheed, Leila

Titel: Rasheed, Leila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rueckkehr nach Somerton Court
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die sie aus ihrer Kindheit kannte. Es war für sie so gewesen, als habe sie an einem Zauberstoff aus Farbe und Licht gewebt, mit dem sie der täglichen Plackerei entfliehen konnte.
    Sie hatte das Klavier nur ansehen wollen, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, eine Taste anzuschlagen, sehr sanft und langsam. Tief im Inneren des Klaviers antwortete ein leiser Ton.
    »Auf Wiedersehen«, flüsterte sie.

9
    Sie kamen mit dem Sonderzug oder mit dem Automobil. Die Herren trugen Zylinder und die Damen Satin und Spitzenschleier; anmutig hielten sie den Lakaien ihre Hände in makellosen Handschuhen hin, damit sie ihnen behilflich waren, sich und ihre ausladenden, mit Paradiesvogel- und Straußenfedern geschmückten Hüte in die zum Bahnhof gesandte Kutsche zu zwängen. Sie kamen aus dem Oberhaus und von den großen Landsitzen, aus dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium und den Salons der Londoner Gesellschaft. Auf Somerton Court angekommen, stiegen sie aus der Kutsche, blickten an den Säulenreihen hinauf und lächelten. »Exquisit, einfach bezaubernd«, murmelten sie, als sie durch die Tür des Haupteingangs traten, empfangen vom Duft der Orangenblüten, die Rose an den Bögen befestigt hatte, und von den riesigen Orchideen- und Liliensträußen, die Mrs Templeton in London geordert und in den großen, von Lord Westlakes Vater aus Rom mitgebrachten Kristallvasen arrangiert hatte. Sie gingen an James und Roderick vorbei, die reglos und imposant dastanden wie in Stein gemeißelte griechische Götter, wenn diese Götter denn Kniehosen getragen und ein Gesicht gemacht hätten, das James selbst einmal als »Schwein, an Verstopfung leidend«, beschrieben hatte. Heller Gesang, Lilien- und Rosenduft geleiteten die Gäste durch das Haus in den Wintergarten. Auch wenn alle schon auf unzähligen Hochzeiten gewesen waren, so war keiner unter ihnen, dem es nicht vor Bewunderung den Atem verschlug, als er die Verwandlung des Wintergartens in einen Blumenpavillon erblickte. Girlanden aus Rosen und Laub wanden sich um die Säulen, von der hereinflutenden Herbstsonne mit goldenem Licht übergossen. An der Stirnseite war eine kleine, ganz mit Averley-Pearl-Rosen ausgeschmückte Laube errichtet worden. Dort wartete der Priester an einem Pult, auf dem die noch aus der Zeit von King James stammende Familienbibel lag. Das Klavier, ebenfalls mit Blüten bestreut, stand bereit, ein Knabenchor sang »O Perfect Love«, während die Lakaien die Gäste zu ihren Plätzen geleiteten.
    Ada saß in der ersten Reihe und fächelte sich Luft zu. Sie sah dem Tag mit äußerst gemischten Gefühlen entgegen: mit Furcht, Nervosität und freudiger Aufregung zugleich. Sie wusste, dass Douglas Varley unter den Gästen war und eine Antwort auf seinen Antrag erwartete. Aber würde Ravi ihn begleiten? Wusste er von Mr Varleys Antrag? Unbewusst fuhr sich Ada mit dem Finger über die Lippen und errötete, als sie sich an den Kuss erinnerte. Wieder einmal.
    Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie wenigstens hübsch aussah. Fiona hatte für sie, Georgiana und Charlotte die gleichen Kleider ausgesucht, auch wenn es bei einer zweiten Hochzeit nicht üblich war, dass die Braut offizielle Brautjungfern hatte. Über einem eleganten Etuikleid aus elfenbeinfarbener Seide trugen sie eine Tunika aus rosa Chiffon, reich bestickt mit Tautropfen aus echten Diamanten. Die Wirkung war atemberaubend. Fiona mochte sie vielleicht nicht, dachte Ada, aber bei ihrer Hochzeit würde sie nichts Geschmackloses dulden.
    Ein Raunen ging durch den Raum, als sich Lord Westlake näherte.
    Georgiana setzte sich aufgeregt ans Klavier. Als Fiona am Ende des Gangs an Sebastians Seite erschien, stimmte Georgiana den Hochzeitsmarsch aus Lohengrin an.
    Ada musste zugeben, dass Fiona umwerfend aussah. Sie war wunderschön, wirkte keinen Tag älter als dreißig und nicht im Geringsten nervös. Zurückhaltend, wie es sich für eine Witwe ziemt, schritt sie auf den Priester zu, in lavendelfarbene französische Spitze von Worth gehüllt, zu der sie eine cremefarbene Haube trug. Gemeinsam mit ihrem Bräutigam kniete sie auf den bereitliegenden Satinkissen nieder und sprach lächelnd das Ehegelübde, das sie zur Countess von Westlake machte. Auch Ada lächelte tapfer, versuchte ihre Anspannung abzuschütteln und war froh, ihren Vater so glücklich zu sehen, als er ihrer Stiefmutter den walisischen Goldring auf den Finger schob.

    Nach der Zeremonie standen Lord und Lady Westlake mit ihren

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