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Rasheed, Leila

Rasheed, Leila

Titel: Rasheed, Leila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rueckkehr nach Somerton Court
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Kindern vor den offenen Türflügeln zum Ballsaal, um ihre Gäste in aller Form zu empfangen. Ada lächelte, bis ihre Gesichtsmuskeln schmerzten; die ganze Zeit fragte sie sich, ob und wann sie Ravi sehen würde. Sie wusste nicht, ob sie sich davor fürchtete oder sich danach sehnte.
    »Lord Sandringham! Wie reizend, Sie zu sehen«, sagte Lady Westlake und sank in einen tiefen Knicks.
    Es gab so viele Menschen in der Eingangshalle, dass man nur schwer ausmachen konnte, wer im Defilee als Nächster an der Reihe war, aber dann hörte Ada eine ihr bekannte Stimme zu Charlotte sagen: »Meine Damen, vor Ihrer Schönheit erblassen beschämt die drei Grazien über Ihnen.« Das war Douglas Varley. Er blickte zu dem Kuppelfries hinauf.
    Unmut stieg in Ada auf. Die Frauengestalten auf dem klassischen Fries waren nicht die drei Grazien, sondern die drei griechischen Göttinnen Hera, Aphrodite und Athene. Dargestellt war eine Szene aus der Geschichte des Trojanischen Kriegs: das Urteil des Paris. Aufgefordert, die Schönste unter den Dreien zu wählen, hatte er sich für Aphrodite entschieden. Dafür versprach sie ihm die Liebe der schönsten Frau der Welt, Helena von Sparta – und so hatte der bittere zehnjährige Krieg begonnen.
    »In Wirklichkeit handelt es sich bei den porträtierten Damen um …«, begann sie, aber niemand hörte ihr zu. Varleys Augen ruhten auf ihr, aber seine Aufmerksamkeit war von Lady Westlake in Anspruch genommen.
    »Wie Lady Ada eben sagte«, erklang eine vertraute Stimme, »bin auch ich der Meinung, dass das Fries das Urteil des Paris zeigt.«
    Ada durchfuhr ein Schauer. Das war Ravi. Natürlich hatte er die Darstellung erkannt. Sie begegnete Ravis Blick, und ihr Herz schoss in schwindelnde Höhen empor wie ein aus seinem Käfig befreiter Vogel. Die Erinnerung an ihre gemeinsame Nacht schlug über ihr zusammen und machte sie hilflos.
    »Für eine Hochzeit ist das vielleicht nicht die beste Kulisse«, hörte sie sich sagen. »Ich meine, Paris und Helena – der zehnjährige Krieg …« Fiona starrte sie kalt an, da schluckte sie und errötete.
    Douglas Varley beugte sich über ihre Hand, und Adas Herz sank genauso plötzlich, wie es aufgeflogen war, in die Tiefe.
    »Was für eine Freude, Sie zu sehen«, brachte sie mit Mühe hervor. Während Varley über ihre Hand gebeugt dastand, blickte sie unvermittelt in Ravis Augen. Zwischen ihnen waren nichts weiter als zwei Handvoll Luft, Luft, die sie nicht einatmen konnte, weil er sie anlächelte. Sein Lächeln erreichte kaum seine Lippen, leuchtete aber aus seinen Augen wie der Widerschein der Sterne. Und abermals hatte sie das Gefühl, sie stünde am Rand des Universums und nichts hielte sie zurück. Dann richtete sich Varley auf und schob sich wieder zwischen sie. Auch er lächelte, als er ihre Hand drückte – aber wie anders war sein Lächeln! Es spiegelte die ruhige Selbstzufriedenheit eines Mannes, der sich sicher war, den Sieg schon in der Tasche zu haben. Er beugte sich dicht zu ihr.
    »Nicht nötig, dass Sie mir gleich antworten. Ich sehe ja, wie bewegt Sie sind. Ich hoffe, Ihre Antwort nach dem Fest zu erhalten«, sagte er ihr ins Ohr und ging weiter zu Charlotte, die die Szene mit unverhohlener Neugier verfolgt hatte. Zu Adas Erleichterung musste sie den Blick nun von ihr abwenden, um Mr Varley zu begrüßen. Da nahm Ravi ihre Hand, und augenblicks konnte sie keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Ich … ich wusste nicht, dass Sie kommen würden«, stammelte Ada. Sie hatte das Gefühl, ihre eigene Stimme von ganz weit weg zu hören. Dann spürte sie, wie er etwas in ihre Handfläche presste. Ein zusammengefaltetes Stück Papier.
    »Nichts hätte mich fernhalten können«, erwiderte er mit einer Stimme, die kaum lauter war als ein Flüstern. Das hätte man als gängiges Kompliment auffassen können, aber Ada wusste, dass er es vollkommen ernst meinte.
    Douglas Varley war weitergegangen, Charlotte lächelte nun Ravi entgegen. Er gab Adas Hand frei und sie ließ sie sinken, mitsamt dem Zettel. Dann drehte sie sich zur Seite, tat so, als müsse sie ihre Handschuhe zurechtziehen, und schob dabei die Nachricht in einen der beiden hinein. Als sie sich wieder umwandte, klopfte ihr Herz so laut, dass sie fürchtete, das Echo würde in der Kuppel über ihr widerhallen. Mit der ganzen Courage einer Averley schenkte sie dem nächsten älteren Gentleman, der sich über ihre Hand beugte, ein reizendes Lächeln.

10
    Der Ballsaal war heiß, laut und

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