Rasheed, Leila
wie die Sonne ein Lächeln auf. Mit ihren anmutig hochgesteckten Haaren sah sie aus wie eine exotische Orchidee.
Ada drehte Rose sanft um ihre eigene Achse. Die Seide kam ins Schwingen und Rascheln, alles in vollendeter Eleganz und wie gemacht für Roses schlanke, jugendliche Figur. Ihr weißer Nacken wirkte noch länger, und ihre großen blauen Augen wurden durch die leuchtenden Farben aufs Schönste betont. Ada sah neben ihr in den Spiegel und lachte, als ihr die Ähnlichkeit zwischen ihnen auffiel.
»Na, wir könnten doch gut Schwestern sein!«, rief sie. »Niemand wird ahnen, dass Sie solche Kleider nicht täglich tragen, Rose.«
»Sie … Sie glauben nicht, dass ich mich über meinen Stand erhebe?«
»Ich glaube, Ihr Stand ist die Musik«, erklärte Ada entschieden. »Ich glaube, es kann nichts Falsches daran sein, wenn Sie Ihren Träumen folgen. Und ich glaube, dass Sie es verdienen, einmal im Leben ein schönes Kleid zu tragen.«
Rose nickte. »Es gefällt mir sehr, sehr gut, Mylady«, gestand sie glücklich.
Ada drückte ihre Hand. »Dann kommen Sie – wir wollen Sebastian nicht länger warten lassen.«
27
Featherstonehaugh House, das imposante, vom Außenminister bewohnte Palais mit der marmornen Freitreppe, lag am vornehmsten Ende der Park Lane. Brennende Fackeln auf den einzelnen Stufen wiesen den Gästen den Weg die Treppe hinauf, und Lakaien in der grüngoldenen Wellingborough-Livree standen, reglos wie Statuen, Spalier.
Ada stieg aus der Kutsche, umhüllt vom Silberglanz ihres Gewands. Sie hatte sich schließlich für das Delphos-Kleid entschieden. Sie zog ihren warmen Nerz noch enger um sich; der Stoff des Kleids war dünn, und es war immer noch Winter.
Als Schmuck trug sie eine lange Perlenkette, die ihr bis zu den Hüften reichte und die anmutige, einer griechischen Säule ähnelnde Silhouette ihres Kleids unterstrich. Außerdem hatte sie den eigenartigen, schweren Armreif aus indischem Silber angelegt, der ihrer Mutter gehört hatte. Das hatte Rose vorgeschlagen, und Ada hatte sofort erkannt, welch perfektes Gegengewicht der Reif zur fragilen Eleganz des Kleides bieten würde. Sie hoffte, auch Ravi würde ihn bemerken und es als Kompliment auffassen, dass sie ein Schmuckstück aus Indien trug.
»Du siehst wunderbar aus, mein Liebes«, sagte ihr Vater mit einem stolzen Lächeln. Er nahm ihren Arm und führte sie die Treppe hinauf, gefolgt von Fiona und Charlotte. »Keine Sorge«, raunte er ihr ins Ohr, »ich habe mit Lady Wellingborough alles arrangiert.«
Ada fragte sich, was er wohl meinte. Aber sie hatte kaum Zeit für ein verwundertes Lächeln, als der Lakai sich schon vorbeugte, die Tür für sie öffnete und sie sich in der mächtigen Eingangshalle von Featherstonehaugh House befanden. Ada blinzelte in das gleißende elektrische Licht. Vor ihnen zog der Butler die Salontüren auf und verkündete: »Lord Westlake, Lady Westlake, Lady Ada Averley, Miss Charlotte Templeton.«
Als Ada in den Salon voller Menschen trat, bemerkte sie kaum die bewundernden Blicke der Gentlemen. Sie suchte den Raum nach Ravi ab. Er war nirgends zu sehen.
»Meine liebe Fiona. Lord Westlake. Es ist mir ein ganz besonderes Vergnügen, Sie bei uns willkommen zu heißen!« Eine klare, gebieterische Frauenstimme übertönte das Salongeplauder, und Ada sah Lady Wellingborough auf sie zukommen; sie schlängelte sich um die chinesischen Vasen und die Tischchen, auf denen kleine, erlesene Antiquitäten und Kuriositäten ausgestellt waren. Die hellen Glühbirnen in den Kronleuchtern ließen die Edelsteine ihrer Kette und die Jettstickerei auf ihrem Kleid funkeln. In einer Hand hielt sie einen gewaltigen Fächer aus Elfenbein und Straußenfedern. Mit ihr kam auch ihr Gatte, ein ernster, älterer Herr, auf Lord Westlake zu und schüttelte ihm herzlich die Hand. Lady Wellingborough wechselte mit Fiona die üblichen Begrüßungsfloskeln und bedachte Ada und Charlotte mit einem Lächeln.
»Wie reizend, Sie beide zu sehen.« Obwohl sie sehr herzlich klang, strahlte sie doch größte Würde aus, und Ada hatte das Gefühl, sie würde sich in ihrer Gegenwart nie ungezwungen benehmen können. Sie stellte sogar Fiona in den Schatten, die neben ihr wirkte wie ein Schulmädchen.
Lady Wellingborough führte sie durch die Menge. »Sie kennen doch Lady Emily Maddox, nicht wahr?«, fragte sie und blieb bei einer Gruppe von Frauen stehen, die unter einem riesigen Gobelin von Burne-Jones Artigkeiten austauschten.
Emily drehte sich
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