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Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Titel: Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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dem Suff verfallen, bevor sie hierher kommen. Mit ihrem Examen als Pastor lässt sich weiß Gott nicht prahlen, und zu Hause reißt man sich auch nicht gerade um sie, also schickt man sie hier hoch. Auf Grönland kann selbst der Dümmste und Unfähigste noch ein Amt bekommen, und in der Regel ist es auch so. Der Schnaps ist der blinde Passagier in ihrem Gepäck. Was Krähenbeere angeht, weiß ich wirklich nicht, ob es ausschließlich am Suff liegt, dass er den armen Grönländern diese merkwürdigen Namen gibt, oder ob er damit eine tiefere Absicht verfolgt. Vielleicht ist das eine Art von Ironie.«
    Er lachte vor sich hin.
    »Ja, das Christentum – das ist schon eine gottverdammte Religion.«
    »Sie sollen den Herrn, unseren Gott, nicht verspotten«, meldete sich Ryberg.
    Er reckte den Arm über den Tisch und zog die Schüssel mit Labskaus heran.
    »Der Steuermann hat recht«, sagte Carl und gab sich Mühe, seine Stimme fest klingen zu lassen. Er sah Kapitän Thomsen an. »Ich weiß genau, dass Sie Gott leugnen und ein Atheist sind, oder wie auch immer Sie sich selbst nennen, aber das gibt Ihnen kein Recht, den Glauben anderer zu beleidigen, nur weil Sie ihn nicht teilen.«
    Thomsen erwiderte Carls Blick mit triumphierender Miene, als hätte er gerade auf diese Worte gehofft, als wäre es ihm auf eine undurchschaubare Weise gelungen, Carl in eine Falle zu locken.
    »Im Prinzip gebe ich Ihnen recht«, erwiderte er. »Aber wenn Sie Ryberg meinen – dann nicht.«
    Er nickte dem Steuermann zu.
    »Ist das korrekt, was ich sage, Ryberg?«
    Der Steuermann duckte sich über seinem Teller, den er noch einmal mit Labskaus gefüllt hatte. Er sah aus, als hätte er es längst bereut, sich in das Gespräch eingemischt zu haben. Der Kapitän versetzte ihm mit der Faust einen leichten Stoß an der Schulter.
    »Ich habe dich doch zum Glauben gebracht, nicht wahr, Ryberg? Nicht du hast den Glauben gefunden, und der Glaube hat auch nicht dich gefunden. Ich habe dich am Schlafittchen gepackt und ein Stelldichein zwischen dir und dem Herrn arrangiert. Verhält es sich nicht so, Ryberg?«
    Der Steuermann erstarrte und schaute auf seinen Teller. Dann nickte er und sein zerschnittenes Gesicht wurde fammend rot.
    Thomsen wandte sich an Carl.
    »Da sehen Sie es«, sagte er. »Ich bin ein weltoffener Mann. Ich selbst brauche den Glauben nicht. Aber natürlich erkenne ich, wenn andere den Glauben nötig haben, und dann stehe ich ihnen bestimmt nicht im Weg. Allerdings kann es auch schon mal vorkommen, dass ich diese Leute bei der Hand nehme.«
    Der Steuermann stand auf und polterte in Richtung Tür.
    »Mahlzeit«, murmelte er mit steifem Nicken.
    Thomsen blickte ihm hinterher und lachte nachsichtig.
    »Er hat Ihnen doch bestimmt seine Leidensgeschichte erzählt, er übertreibt nicht. Sie sind ja tagtäglich gezwungen, seine Visage zu sehen, nicht wahr? Der Steuermann war kurz davor, ein für alle Mal die Seestiefel in die Ecke zu stellen, als er damals Frau und Kind verlor. Ich traf ihn in Hamburg, ich kannte ihn von früher. Damals brach dort die Cholera aus. Ja, das ist noch gar nicht so lange her. Zehntausend Tote in einem Monat. Ich packte Ryberg am Kragen und schleppte ihn auf den Friedhof, wo hundert Mann Tag und Nacht arbeiteten, um die Toten unter die Erde zu bringen. Dort standen Leiterwagen, auf denen die Särge übereinanderlagen. An der Straße lagen sie wie Brennholzstapel. Unlackierte rohe Bretter, bloß ein Zettel dran, mit dem Namen des Toten. ›Willst du das etwa?‹, habe ich ihn gefragt. ›Dann atme tief ein und zieh dir den Leichengestank ordentlich in die Lungen, dann liegst du auch bald so da und streckst die Nase in die Luft.‹ Er wollte sterben und doch wieder nicht. Schließlich will niemand von uns wirklich den Löffel abgeben, wenn es soweit ist. Er begann mit der Leier: ›Ich schaff’s nicht allein.‹ Sie haben es sicher auch schon zu hören bekommen? Ist ja mehr oder weniger sein Wahlspruch. ›Na gut‹, habe ich gesagt, ›dann musst du zu Hammershøj.‹ Ja, das war der Seemannspastor in Hamburg. Ein Teufelskerl, mit Fäusten wie ein Paar Schlägel. Er prügelte Ryberg den Lebenswillen wieder ein.«
    »Sie meinen, er war ein guter Prediger.«
    »Nein, ich meine es so, wie ich’s sage. Hammershøj ist ein gewaltiger Raufbold. Er räumt ein Wirtshaus in ein paar Minuten. Und hinterher redet er zuckersüß über Jesus. Es sind seine Fäuste, vor denen die Seeleute Respekt haben. Eins aufs Maul und du

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