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Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Titel: Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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behalten.«
    Carl starrte auf die Wand.
    »Egal, was auch immer zwischen Ihnen und den Grönländern passiert sein mag, ich bin ganz auf Ihrer Seite. Das ist doch selbstverständlich. Aber das hier ist eine delikate Geschichte, delikater als jemand vermuten könnte. Um ehrlich zu sein, habe ich so was noch nie erlebt, und ich bin jetzt seit fünfundzwanzig Jahren Leiter der Handelsmission. Glauben Sie mir, ich habe schon einiges gesehen. Aber so etwas noch nie.«
    Carl sagte noch immer kein Wort.
    »Ich warte«, sagte Berendtsen, »nur kann ich nicht allzu lange warten. Die Situation ist schwierig, und nur Sie können sie lösen, Rasmussen. Sie haben irgendetwas losgetreten, und wie ich sehe, leiden Sie selbst darunter. Aber letzten Endes hat die ganze Kolonie darunter zu leiden, wenn wir diesen Knoten nicht lösen.«
    Er erhob sich und gab Carl einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
    »Sie haben sich erschrocken. Schlafen Sie jetzt ein wenig. Wir reden später darüber.«
    Berendtsen schloss die Tür hinter sich. Carl blieb liegen. Er fühlte sich wie ein unartiges Kind und gleichzeitig spürte er das beunruhigende kindliche Gefühl einer Katastrophe, wenn die Eltern sich plötzlich gegen einen wenden. Er erkannte eine Verbindung. Er verstand nicht das volle Ausmaß seiner Tat, wusste aber, dass er etwas getan hatte und zur Ursache unerwarteter und fürchterlicher Ereignisse geworden war, deren Konsequenzen niemand vorhersagen konnte. Sein Verstand sagte ihm, dass es einen Unterschied gab, die Ursache von etwas zu sein oder Schuld an etwas zu haben. Oft genug griff der Zufall ein und verzerrte selbst die besten Absichten. Aber sein Wissen half ihm nicht, er fühlte sich schuldig.
    Zusammengekrümmt blieb Carl auf dem Bett liegen. Er führte sich genauso auf wie die Kinder daheim. Wenn die kleine Karla etwas ausgefressen hatte, versteckte sie sich an einem geheimen Ort, in dem kleinen Verschlag unter der Bodentreppe. Dort saß sie dann mäuschenstill und war unsichtbar. Solange sie nicht gefunden wurde, gab es sie nicht, und somit hatte sie auch nichts angestellt. Jetzt lag er in Karlas Verschlag und war unsichtbar.
     
    Am nächsten Morgen brachte Frau Berendtsen ihm etwas zu essen.
    »Ja, Rasmussen, Sie müssen mit dem vorliebnehmen, was da ist.«
    Sie schaute ihn an, und er war sich nicht im Klaren, ob in ihrem Blick Mitleid oder Verurteilung lag. Das Ganze war doch wahnsinnig! Einen Moment fammte Protest in ihm auf, erstarb aber wieder. Das Schuldgefühl lähmte ihn. Er erwiderte nichts, sondern beugte sich über den Teller. Das Brot stammte vom Vortag.
    Im Windfang polterte es. Berendtsen kam aus dem Proviantlager zurück.
    »Guten Morgen.«
    Er setzte sich schwerfällig an den Tisch, seine Frau schenkte ihm sofort einen Kaffee ein. Berendtsen pustete und schlürfte die schwarze Flüssigkeit, worauf er seinem Wohlbefinden mit einem lang gezogenen »Aahh« Ausdruck verlieh. Dann schob er seinen Stuhl zurück und sah Carl mit einem bekümmerten Gesichtsausdruck an.
    »So geht das nicht, Rasmussen. Zum Teufel, die gesamte Kolonie ist on strike.«
    Carl wusste, dass es sich um Englisch handelte, aber er kannte die Bedeutung der Worte nicht.
    » On strike?«, fragte er.
    » On strike! Ja, Sie wissen nicht, was das ist? Wie heißt das doch gleich auf Dänisch?«
    Berendtsen schnipste ungeduldig mit den Fingern.
    »Diese englischen sozialistischen Agitatoren predigen es die ganze Zeit. Man sollte meinen, Godthåb wäre voll von ihnen. Streik! Ja, so heißt es. Die ganze verdammte Kolonie streikt. Mein Koch Moses. Mein Helfer im Proviantlager. Und die Kunden bleiben aus. On strike! Alle zusammen.«
    »Sag es ihm«, forderte Frau Berendtsen ihn auf.
    Berendtsen lehnte sich über den Tisch und sah Carl an.
    »Rasmussen, wir müssen uns jetzt mal ernsthaft unterhalten.«
    Hinter sich hörte Carl Frau Berendtsen die Tür schließen und in der Küche verschwinden.
    »Maliáraq«, sagte er nur.
    Berendtsen sah ihn verblüfft an.
    »Dann wussten Sie es also. Was sollte dann gestern diese Komödie?«
    »Ich wusste, dass es eine Verbindung gibt. Ich wusste nur nicht welche.«
    »Tja, jetzt ist der Fall jedenfalls klar. Ich bin heute Morgen bei Moses gewesen, um ihn zu fragen, worum es geht. Der beste und zuverlässigste Koch, den ich während meiner fünfundzwanzig Jahre hier in Godthåb hatte, und dann kommt er einfach nicht zur Arbeit, ohne Nachricht oder irgendwas. Er schlief noch, aber ich habe ihn schnell auf die

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