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Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Titel: Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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Beine gebracht. Ja, ich musste es ihm nicht mal aus der Nase ziehen. Er hat es mir ganz bereitwillig erzählt. Er glaubte wohl, ich befände mich auch in Gefahr und müsste rechtzeitig gewarnt werden, bevor der Schaden nicht wiedergutzumachen ist.«
    Berendtsen lachte, als hätte er gerade einen Witz erzählt. Dann wurde er wieder ernst.
    »Rasmussen, ich kann Sie nicht länger hier wohnen lassen. Als Leiter der Handelsniederlassung muss ich Sie bitten, Godthåb zu verlassen. Sie haben ja eine Koje an Bord. Solange das Schiff hier liegt, haben Sie sich auf der Peru aufzuhalten.«
    Berendtsen schlug den Blick nieder und pulte an einem losen Faden seines Strickpullovers. Man sah, dass es ihm peinlich war.
    Carl sagte nichts. Er atmete kaum. Von der grönländischen Erde verwiesen! Das war das Ende der Reise, die zu seiner Wiedergeburt als Maler werden sollte. Ausgewiesen!
    Berendtsen seufzte tief und fuhr sich durch die grau melierte Mähne.
    »Es geht doch nicht um Sie, Rasmussen. Sie haben nichts getan. Es sind die …«
    Seine Stimme wurde laut vor Erregung, er hämmerte seine Faust auf den Tisch. Carl zuckte zusammen.
    »… diese verdammten Schwanzneger! Strike! Arbeitsniederlegung! Das kann ich mir nicht erlauben. Das muss aufhören!«
    Er sank gleichsam zusammen.
    »Ich stecke in der Klemme, Rasmussen. Wenn sie einfach nur die Arbeit niederlegen würden, weil sie mehr Geld wollten, wie diese verdammten Arbeiter zu Hause, dann würde ich ihnen schon Beine machen, und wenn ich sie persönlich aus ihren Erdhütten prügeln müsste. Aber es ist dieser verfuchte Aberglaube. Der macht sie so verdammt beharrlich. Der Glaube kann Berge versetzen, sagt man, aber ich kann Ihnen versichern, dass auch das Gegenteil möglich ist. Der Aberglaube kann alles zum Stillstand bringen. Und genau das passiert hier im Augenblick. Solange Sie da sind, Rasmussen, gibt es niemanden, der auch nur einen Finger rührt.«
    »Was habe ich denn bloß getan?«
    »Ein bisschen haben Sie schon selbst erraten. Bei Ihrem ersten Besuch vor vielen Jahren haben Sie hier das Porträt eines kleinen Mädchens gemalt. Maliáraq, die kleine Marie. Ist das richtig?«
    Carl nickte, erwiderte aber nichts.
    »Na ja, also der Qivitoq gestern, das war die kleine Marie. Sie ist seltsam geworden, nachdem sie von Ihnen gemalt wurde. So ist die Geschichte, und schließlich wurde sie zu einem Fjellgänger, zu einem Qivitoq. Tja, ich glaube nicht an all dieses Gerede und Gertrud schon gar nicht. Aber die Grönländer tun es, also können wir nicht viel machen. Es ist Jahre her, seit jemand sie zuletzt gesehen hat, man nahm an, sie wäre tot. Aber dann ist sie gestern zurückgekommen, und sie kam mit einer Anklage. Ihre Augen, Rasmussen, hätten ihrer Seele geschadet, und allen, die sie malen, würde es ebenso ergehen.«
    Berendtsen breitete die Arme aus.
    »Das also ist die Geschichte. Natürlich dummes Zeug. Normalerweise haben die Grönländer nichts dagegen, fotografiert zu werden, daher begreif ich’s nicht. Aber ich habe einen Aufstand am Hals, wenn ich das nicht ernst nehme. Ich fürchte, Sie werden Ihre Sachen packen müssen. Ich werde Sie zum Schiff rudern.«
    Carl erhob sich ohne ein Wort.
    »Na, na, so war das nun auch wieder nicht gemeint. Frühstücken Sie erst mal. Ich will Sie nicht hungrig fortschicken.«
    »Das brauchen Sie auch nicht. Mir ist der Appetit vergangen.«
     
    Carl ging nach oben und begann zu packen, mechanisch. Es dauerte nicht lange. Seine Malgerätschaften lagen zerbrochen auf dem Fjell. Eine zusätzliche Staffelei hatte er an Bord, Farben und Pinsel gab es immer im Überfuss. Die Kleidung war rasch in den beiden Koffern verstaut, die er von der Peru mitgebracht hatte. Er fühlte sich wie ein Strafgefangener, der sich auf seine Deportation vorbereitet. Er wurde aus dem Land der Hoffnung verwiesen. Hier hätte er als Maler wiedergeboren werden sollen. Gemalt hatte er, mit dem gleichen Fleiß und der gleichen Routine wie immer. Er hatte seine Pficht erfüllt. Er hatte getan, was man von ihm erwartete. Aber es war nicht zu einem neuen Aufbruch gekommen. Was hatte er sich eigentlich erhofft? Was für ein Neuland wollte er hier erobern, wo sich überwiegend altbekannte Motive anboten? Die Seele der Eskimos? Eine neue und wagemutigere Palette? Er fand darauf keine rechte Antwort. Ihm fehlte die Richtschnur. Stärker als je zuvor bewegte ihn dieses Gefühl.
    Und jetzt das. Nein, Schuld hatte er nicht. Und doch fraß sich diese Begebenheit

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