Rasputins Erbe
dich in ein paar Minuten anrufen... Katarina scheint ein ebensolcher Frühaufsteher wie Peer zu sein. Sie hat ihm scheinbar schon vor einer Stunde telefonisch mitgeteilt, dass der Deal geplatzt sei. Genaueres weiß ich nicht, aber ich wollte dich vorwarnen.“
„Der Deal... ist geplatzt? Was soll das heißen?! Ich hab' gestern mehr als nur meine Zeit geopfert, damit wir den Auftrag kriegen. Ich fasse das nicht. Ich fasse das einfach nicht.“ Sie konnte es wirklich nicht fassen. Bevor sie Deniz nach Einzelheiten fragen konnte, meinte er hastig, dass er auflegen müsse. Julia hatte sich diesen Tag anders vorgestellt, als sie gestern in ihr Bett gestiegen war. Vom Alkohol beflügelt hatte sie es irgendwie geschafft, sich doch noch positiv zu stimmen und war mit großen Plänen für diesen Tag eingeschlafen. Lange gehalten hatte ihr Glück offensichtlich nicht.
Julia hatte das Handy noch nicht wieder weggelegt, als es erneut bedrohlich nah an ihrem Brummschädel klingelte. „Deniz? Was ist denn eigentlich los?“ „Nein, hier ist Peer. Deniz war so freundlich, mir deine PRIVATNUMMER mitzuteilen, die du mir offenbar AUS VERSEHEN vorenthalten hast. Weißt du eigentlich, was uns der Abend gestern gekostet hat? Neben unserem Ruf als professionelle Werbeagentur haben wir gestern auch knapp vier Millionen Euro in den Sand gesetzt. Was rede ich da? Nicht wir, DU“, schnauzte Peer in den Hörer. Er setzte ohne Pause fort: „Was ist denn in dich gefahren? Katarina hat mich angerufen und gemeint, dass unser Herr Gromow mit unserer Arbeitsmoral nicht einverstanden ist. Was hat das bitte zu bedeuten?“
Julia fehlten die Worte und ihr wurde wieder schlecht. Mit dem Begriff Arbeitsmoral war vermutlich gemeint, dass sie am Vorabend nicht mit ihm ins Bett gesprungen ist, wie er es von ihr verlangt hatte. Schlagartig war ich wieder klar, warum sie die reichen Kunden so ungern betreute. Die hatten fast alle einen Schaden. Ihr war speiübel, vor Wut auf dieses reiche Arschloch, das vermutlich gerade eine noch jüngere, noch hübschere Namenlose oder sogar seine Sekretärin in den siebten Himmel vögelte und natürlich vor Angst. Sie hatte das Gefühl, dass Peer diesmal kein Auge zudrücken würde. Sie wusste zwar nicht, was sie tun sollte, aber sie wusste, dass sie etwas tun musste. Und zwar schnell.
Julia entschied sich dafür, die Wahrheit zu sagen und erzählte Peer in aller Ausführlichkeit, was passiert war. Peer hörte geduldig zu. Er war zwar sauer, aber er war kein unfairer Mensch. Er ließ Julia ihre Version der Geschichte vortragen und würde erst dann eine Entscheidung fällen, wenn er beide Seiten angehört hatte. Katarina's Version kannte er bereits und obwohl er sich gut vorstellen konnte, dass Julia sich wieder einmal zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, fand er es doch befremdlich, solche Dinge über sie zu hören.
„Und du hast ganz sicher nichts gesagt, was ihn hätte umstimmen können? Irgendwas, das mit unserem Deal zu tun hat?“, fragte er argwöhnisch. So leicht wollte er sie dann doch nicht davonkommen lassen.
Julia war heilfroh, dass Peer ihr eine Chance gegeben hatte, alles zu erklären. Mehr noch: sie war dankbar, dass sie ihren Job behalten durfte. Wenn es stimmte, was Peer bezüglich des Geldes gesagt hatte, dann war es eine Ehre, dass sie von Peer nicht achtkantig rausgeworfen wurde. Sie dachte, dass er zwar ein komischer Kauz, dafür aber auch ein toller Chef sei. „Nein, ich habe nichts dergleichen gesagt. Als ich gemerkt habe, dass er mehr von mir wissen will als meine Werbestrategie, habe ich deutlich gemacht, dass das nicht geht. Er hat mich förmlich angebettelt, mit ihm in die Kiste zu steigen,“ versicherte ihm Julia.
Dass sie am liebsten mit ihm im Hotel um die Ecke verschwunden wäre, verschwieg sie. Julia fühlte sich leicht verwegen, konzentrierte sich jedoch weiterhin auf das aktuelle Problem. Sie erzählte von dem Erlebnis mit Annabelle, was Peer mit einem leisen „Eieiei“ kommentierte. „So etwas habe ich mir fast gedacht, als Katarina heute angerufen hat. Die Frau steht doch tatsächlich noch früher auf als ich, kannst du dir das vorstellen?“
Peer war bereits in flachere Gewässer gepaddelt und Julia spürte, dass sie aus der Gefahrenzone heraus war. Er fuhr fort: „Es ist nun enorm wichtig, dass wir einen kühlen Kopf bewahren. Vor allem du, denn wenn ich 1 und 1 richtig zusammenrechne, dürftest du einen ziemlichen Kater haben, sehe ich das richtig?“ Peer lachte
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