Rasputins Erbe
seinen blauen Augen eventuell doch noch bezirzen zu können. Er machte Julia rasend, denn sie stand auf ihn und wünschte sich nichts mehr als ihn näher kennenzulernen. Er jedoch zerstörte alles, indem er taktlos und egozentrisch, nein, egomanisch, versuchte, sich zu nehmen, was er wollte. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und vor allem ohne Rücksicht auf ihre Gefühle.
Julia stand also von ihrem Barhocker auf, holte sich ihren Mantel und ging so schnell es mit den etwas zu hohen Absätzen möglich war in Richtung Ausgang.
Der Portier verabschiedete sie und hätte Alexej, der Julia nach einigem Zögern nachgelaufen war, beinahe die Tür ins Gesicht gedonnert. Er entschuldigte sich und hoffte inständig, dass diese Unachtsamkeit ihn nicht den Job kosten würde. Im Excelsior war man streng, das wusste er.
Julia reckte den schönen Hals und suchte die Straße nach einem Taxi ab. Direkt vor ihr ging in dem Moment ein mattes, gelbes Licht an. Der verschlafen dreinschauende Mann, der aus dem Auto ausstieg, hatte offenbar vergessen, das Taxilicht einzuschalten.
Julia nickte ihm grimmig zu und stieg hinten ein. Sie wollte einfach nur weg. Und sie nahm sich vor, dass sie nun Peer ihrerseits die Pistole auf die Brust setzen würde. Entweder sorgte er dafür, dass der Kontakt zu diesen Wahnsinnigen aus der Softlift GmbH abgebrochen wurde oder sie würde sich einen neuen Arbeitgeber suchen.
Sie zog die Tür mit Karacho zu, aber sie rastete nicht ein. Stattdessen hämmerte ein vor Schmerz jaulender Alexej auf das Autodach und Julia erkannte, was sie angerichtet hatte: Zwischen Tür und Türrahmen lugte Alexejs Hand hervor, eingeklemmt und zerschrammt. Es war die Hand, an dem auch der bescheuerte Ring steckte, mit dem Alexej ihr vor ein paar Tagen so auf die Nerven gegangen war.
Julia vergaß, dass sie auf den Mann sauer war und stieg sofort wieder aus. Auch der Taxifahrer verließ das Taxi. Er fluchte und machte sich offenbar Sorgen um seine Lizenz.
Julia drehte unter Druck stets zu Höchstleistungen auf und auch in dieser Situation behielt sie trotz des Ärgers mit diesem Idioten, auf den sie so stand, einen bemerkenswert kühlen Kopf.
Alexej hielt seine verletzte Hand mit der gesunden empor und beäugte sie ängstlich. Er prüfte, ob noch alle Finger dran waren. Julia ahnte, dass er vermutlich einen kleinen Schock erlitten hatte. Sie erinnerte sich vage an eine ähnliche Situation aus ihrer Kindheit.
Da hatte sie sich ebenfalls den Finger in der Autotür eingeklemmt, als sie mit ihren Eltern in die Ferien gefahren war. Damals musste ihr ein Fingernagel herausgezogen werden, weil er durch die Quetschung zertrümmert worden war.
Sie konnte sich also lebhaft vorstellen, dass Alexej sich nicht bloß anstellte, sondern wirklich unter Schmerzen litt.
Sie übernahm die Kontrolle, indem sie erst einmal den Taxifahrer wegschickte, da er ohnehin bloß im Weg herumstand. Danach sprach sie zu Alexej ein paar aufmunternde Worte: „Komm, wir gehen wieder rein. Bei diesem Licht hier draußen erkennt man ja nichts. An der Bar gibt es bestimmt Eis.“
Alexej schüttelte den Portier ungeduldig ab, als dieser versuchte, ihn zu stützen. „Es ist ja nichts passiert“, meinte Alexej stolz und mit einem vor Schmerz verzerrtem Gesicht. Julia musste sich ein Grinsen verkneifen. Ihr tapferer Macho konnte es offenbar nicht ertragen, Schwäche zu zeigen.
Als sie an der Bar ankamen und Julia einen Bottich Eis geordert hatte, inspizierte sie Alexejs Hand. Sie kannte sich zwar nicht aus, glaubte jedoch einschätzen zu können, ob irgendwas gebrochen war.
Nein, es war nichts gebrochen. Allerdings schwollen der Ringfinger und der Mittelfinger der gequetschten Hand bedrohlich an, so dass Julia sich nun bemühte, den Ring vom Finger zu ziehen. Alexej kippte gerade den doppelten Vodka herunter, den Julia zusammen mit dem Eis bestellt hatte, daher bemerkte er zu spät, dass sie sich an seinem heiligen Schmuckstück zu schaffen gemacht hatte.
Als sie den Ring auf die Theke legte, kehrte schlagartig ein bisschen Farbe in Alexejs Gesicht zurück.
Das jedoch schrieb Julia dem Alkohol zu und nicht ihren eingeschränkten Medizinkenntnissen. Sie deutete auf den Eimer, in dem sonst teurer Champagner serviert wurde, und Alexej verstand. Er steckte die Hand ins Eis und Julia sah, dass es den Schmerz linderte. Alexej lächelte. Es war das erste Mal, dass Julia in seinem Blick keinen Hintergedanken erkennen konnte.
Ihr Ärger war so gut wie verraucht. Sie
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