Rasputins Erbe
und widmete sich seinerseits dem kleinen Frühstücksbuffet, das zwei bildhübsche und offenbar blutjunge Kellnerinnen zum Tisch des frisch verliebten Paares balanciert hatten.
Es wurde ein üppiges Mahl serviert. Es gab frisch gepresste Säfte, eine Schale voller bunter, exotischer Früchte, dampfende Brötchen und Croissants, eine feine Auswahl an Käse und Aufschnitt und natürlich Kaffee. Es schien absurd, aber trotz der immensen Auswahl an Köstlichkeiten freute sich Julia über den Kaffee am meisten.
Sie hatte einen leichten Kater, aber der wunderbar duftende Kaffee flößte ihr innerhalb weniger Minuten neues Leben ein. „So kann von mir aus jeder Tag beginnen“, dachte Julia verträumt.
„Die haben wirklich an alles gedacht“, sagte Julia halblaut. Sie hatte gerade erst das Frühstücksei entdeckt, was in einem silbernen Eierbecher darauf wartete, von ihr verspeist zu werden. Als sie es mit dem entsprechenden Löffel geöffnet hatte, stellte sie befriedigt fest, dass es sich vermutlich um das beste Frühstücksei aller Zeiten handelte. Es war weder zu hart noch zu weich. Außerdem war es gar kein Hühnerei, wie Alexej ihr erklärte, als sie verdutzt die ungewöhnliche Musterung der Schale beäugte: „Das ist von Bankiva-Hühnern. Die stammen ursprünglich aus Indien. Das normale Haushuhn, wie wir es kennen, ist vermutlich aus dieser Rasse entstanden.“
Julia nickte und probierte. Einen Unterschied zum normalen Hühnerei, das sie seit ihrer Kindheit liebte, konnte sie beim besten Willen nicht feststellen. Bis auf die Musterung sah es exakt gleich aus.
Alexej war wirklich ziemlich gebildet, dachte Julia.
Er ergriff wieder das Wort: „Wir haben uns gestern gar nicht mehr über den Deal unterhalten. Hast du eigentlich noch Interesse? Ich meine, ich könnte es gut verstehen, wenn dir das hier alles zu chaotisch ist.“
Julia hatte gerade den Mund voller Bankiva-Eigelb und bemühte sich, die breiige Masse schnell herunterzuschlucken. Sie verschluckte sich und hustete. Alexej wägte ab, ob sie womöglich einen Klaps auf den Rücken gebrauchen könnte, aber sie hatte sich bereits nach wenigen Sekunden wieder beruhigt und räusperte sich.
„Natürlich habe ich Lust darauf. Ich gehe mal davon aus, dass wir beide professionell genug sind, um unser kleines Abenteuer vorerst für uns zu behalten“, meinte sie selbstbewusst.
Alexej war amüsiert. Ihm war das nur recht. Er lächelte wieder, was Julia als positives Zeichen deutete. Ihr fiel es immer wieder schwer, ihm in die Augen zu schauen, ohne an die vergangene Nacht zu denken. Am liebsten würde sie unter den Tisch krabbeln und ihn gleich dort im Restaurant des Hotels verwöhnen. Sie begnügte sich nun damit, dass sie ihren rechten Schuh abstreifte und sich mit ihren Zehen sanft in Richtung seines besten Stücks tastete.
Das war jedoch keine gute Idee, denn Alexej erschreckte, als er ihren Fuß im Schritt spürte und stieß seinen Orangensaft um. Er lächelte immer noch, aber er zog gleichzeitig die Augenbrauen hoch. Julia verstand. Er war gerade nicht in der Stimmung dafür.
Sie realisierte, dass sie zu weit gegangen war. Als sie sich gerade entschuldigen wollte, rief Alexej mit seiner üblichen, etwas lauteren Stimme: „Annabelle, dich habe ich total vergessen! Setz' dich zu uns. Du hast doch nichts dagegen, oder?“, fragte er an Julia gewandt.
Julia riss den Kopf herum und sah, wie Annabelle in Richtung ihres Tisches stolzierte. Ihr Gesichtsausdruck war schwierig zu entziffern. Sie grinste, aber ihre Augen blieben dabei kalt. Es kam Julia so vor, als wäre der Ausdruck ihrer Lippen für Alexej bestimmt und ihr vernichtender Blick für Julia. So schlug sie zwei Fliegen mit einer Klappe, oder besser: mit einem einzigen, diabolischen Lächeln.
„Was macht die denn hier?“, fragte sich Julia alarmiert. Handelte es sich hierbei wieder um ein abgekartetes Spiel, bei dem sie erneut die Verliererin sein würde?
Es bereitete ihr Unbehagen, dass diese Verrückte sich hinter ihr befand. So konnte sie sich ja gar nicht verteidigen! Julia bemerkte, dass es eigentlich lächerlich war. Egal wie sehr die beiden sich hassten, Annabelle würde wohl kaum ein Messer zücken und es ihr in den Rücken rammen. „Oder doch?“, fragte sich Julia beklommen. So wirklich sicher war sich Julia nämlich nicht und sie musste sich zwingen, nicht aufzuspringen, um Abstand zu gewinnen.
„Julia?“, wiederholte Alexej. Bevor sie antworten konnte, hatte sich Annabelle
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