Rasputins Erbe
erhaschen, denn Alexej machte Anstalten, den Ring vor ihr zu verstecken. Julia konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum er sich so komisch verhielt.
Sie fühlte sich unangenehm an eine Szene aus ihrer wilden Berlinphase erinnert. Da hatte sie ihren damaligen ersten festen Freund ebenfalls im Bad angetroffen und er hatte versucht, ein kleines Tütchen mit irgendwelchen Pillen vor ihr zu verstecken. Später hatte sie erfahren, dass ihr erster Freund mit Drogen dealte. Das war für Julia ein weiterer Grund gewesen, um die Beziehung zu beenden. Es war außerdem ausschlaggebend dafür gewesen, dass sie von Berlin nach Köln gezogen war.
(Einige Jahre danach hatte sich Julia tatsächlich gewünscht, dass Thomas, ihr letzter fester Freund, der ein absoluter Langweiler war, ab und zu mal ein wenig über die Stränge schlagen würde. Fehlanzeige.)
Aber was hatte es nun mit dem Ring auf sich?
All diese Gedanken schossen ihr innerhalb weniger Millisekunden durch den Kopf und als sie immer noch keine Reaktion bekam, fragte Julia: „Wo sind meine Klamotten?“
Alexej legte den Ring zögerlich auf die Ablage neben dem Waschbecken und kam auf sie zu. Julia sah, dass die Hand, die sie ihm am Vorabend fast zertrümmert hatte, immer noch leicht geschwollen war.
Sobald er das Erbstück aus den Händen gelegt hatte, veränderte sich sein ganzes Wesen, wie Julia verwirrt bemerkte. Es konnte jedoch auch Einbildung sein – Julia war jedenfalls froh, dass Alexej sich doch noch zu einer Art Lächeln durchgerungen hatte und munter ihre Frage beantwortete: „Kannst du dich denn an gar nichts mehr erinnern?“ Julia schluckte wieder, denn sie fürchtete, dass es nun peinlich werden würde.
„Gestern lief in der Bar dieses eine Lied, was du so toll findest und da hast du angefangen zu tanzen.“
Julia konnte sich daran nicht erinnern, wohl aber an die überwältigende Anzahl von Drinks.
Alexej fuhr fort: „Na ja, du hast getanzt und dabei deine Bluse ausgezogen. Du warst wirklich heiß!“
Julia konnte kaum glauben, was sie da hörte. In ihrer Version vom vergangenen Abend in der Bar war sie ziemlich brav gewesen.
Alexej grinste und Julia wollte den Rest seiner Geschichte gar nicht hören, aber diesen Gefallen tat er ihr nicht.
„Anschließend hast du dir an deiner Jeans zu schaffen gemacht, aber die Show konntest du leider nicht mehr fortführen. Ein paar der Gäste waren von deiner Vorführung nämlich nicht sonderlich angetan...“, setzte er unerbittlich nach.
Julia presste mit einer Hand die Decke an sich und die andere hob sie vor ihr Gesicht, um ihren offen stehenden Mund zu bedecken. War das wirklich so passiert? „Oh, Gott, wie peinlich!“, dachte Julia.
Alexej kam weiter auf sie zu und legte die Hände auf ihre zusammengesunkenen Schultern. „Julia, meinst du ehrlich, ich würde zulassen, dass du dich in meiner Gegenwart so zum Affen machst? Deine Sachen habe ich waschen lassen. Das Zimmermädchen müsste gleich zurückkommen.“ Er lachte.
Julia fand das überhaupt nicht lustig und sie schlug ihm halbherzig auf den Arm. Er schaute ihr in die Augen und zog sie an sich heran. Julia ließ die Decke fallen und stand nackt vor ihm. Sie küssten sich sie konnte sein Herz schlagen hören, als sich so aneinander schmiegten.
Sie hatte ihm sofort verziehen, denn eigentlich war es doch eine witzige kleine Geschichte gewesen.
Sie turtelten noch ein wenig herum, küssten sich und bewegten sich dabei gefährlich nah in Richtung Bett. Julia hatte die gemeinsame Nacht zwar sehr genossen, aber sie wollte lieber nichts überstürzen. Normalerweise hätte sie ohne zu Zögern weitergemacht, aber mit Alexej war es anders. Sie hatten bereits eine gemeinsame Vergangenheit und Teile davon belasteten Julia unterbewusst.
Das Zimmermädchen kam wenige Minuten später und brachte die gewaschenen, getrockneten und gefalteten Klamotten. Es war bereits nach 10 Uhr, als Julia die Dusche verlassen und sich angekleidet hatte. Aus dem ursprünglich geplanten Frühstück wurde nun eher eine Art Brunch, aber das störte weder Alexej noch Julia.
Sie gingen gemeinsam in den luxuriösen Saal, in dem das Frühstück üblicherweise serviert wurde.
Als sie sich an einen der etwas abgelegenen Tische setzten, sah Julia, dass Alexej den Ring im Zimmer gelassen hatte. Sie war froh, denn irgendwas stimmte mit dem Ding nicht, wie sie fand. Es war nur ein Gefühl, aber sie konnte es trotzdem nicht einfach ignorieren.
Alexej war schweigsam
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