Rasputins Erbe
es ebenfalls mit einem Scherz. „Naja, ich glaube eher, dass das ein Stier sein soll. Mir gefällt es“, sagte er diplomatisch. Julia wollte gerade erleichtert aufatmen, als er nachsetzte. „Das soll vermutlich für deine Sturheit stehen, oder?“, fragte er an Julia gewandt und grinste.
Normalerweise hätte sie so eine Bemerkung nicht weiter tragisch gefunden, aber hier ging es nicht um den bescheuerten Stier auf ihrem Fußknöchel, sondern darum, dass Annabelle sie einfach nicht in Ruhe ließ. Alexej hatte ihr gerade unabsichtlich weitere Munition geliefert und das brachte das Fass zum Überlaufen.
Julia drehte auf dem Absatz um und ließ Alexej und die grölende Annabelle und ihre Clique einfach stehen.
„Wie kann man nur so blöd sein“, sagte Julia vor sich hin, als sie die Flucht ergriff. Sie verließ den Saal und stand in einem schmalen Flur. Sie war mittlerweile selbst ziemlich angetrunken und musste sich erst orientieren. Sie öffnete eine der nächsten Türen und landete in einer Art Vorratsraum, in dem zwei riesige Kühlschränke brummten. In einem Regal sah sie dutzende Champagnerflaschen stehen und in einem Anflug von Verwegenheit griff sie eine davon, um ihre eigene Party zu feiern.
„Willst du die ganz alleine trinken?“
Julia blieb das Herz stehen. Sie drehte sich um und schaute Alexej wütend an. Das fiel ihr jedoch einigermaßen schwer, denn er lächelte und zeigte seine makellosen Zähne. Julia war ihm eigentlich gar nicht wirklich böse. Sie hatte zu große Erwartungen gehabt, das sah sie ein.
„Siehst du nicht, dass Annabelle sich zwischen uns drängt? Warum lässt du das zu?“, fragte Julia und versuchte, sich nicht zu sehr von Alexejs erotischer Aura bezirzen zu lassen.
„Das bildest du dir ein, Julia“, antwortete Alexej und kam näher. Julia hielt die Champagnerflasche wie zum Schutz vor sich, aber als Alexej danach griff, um sie wieder im Regal abzustellen, wehrte sie sich nicht.
Sie roch sein Aftershave und wünschte sich nichts sehnlicher, als dort in dem schummrigen Vorratsraum von ihm um den Verstand gevögelt zu werden. Sie küssten sich. Julia schmeckte eine Mischung aus Alkohol und Knoblauch. Vermutlich war sie das selbst schuld, denn sie hatte beim Buffet nicht bemerkt, dass einige der Pasteten sehr aggressiv gewürzt waren. Das war jedoch nicht der Grund dafür, dass sie sich wieder von ihm losriss.
„Was ist denn jetzt wieder los?“, fragte Alexej ungeduldig. Julia zupfte ihr Kleidchen zurecht und strich sich die leicht zerzausten Haare wieder glatt.
„Ich möchte nicht, dass – ach, vergiss es. Lass uns jetzt nicht darüber reden. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe“, sagte sie und fühlte sich für einen Moment sehr erwachsen. Immerhin widerstand sie einem fast nicht zu bändigenden Drang nach hemmungslosen Sex mit ihrem Traummann.
Julia hatte sich an das Gespräch mit Katarina erinnert und wollte der Sache mit dem Ring erst einmal auf den Grund kommen. Ganz so abwegig erschien ihr die Geschichte mittlerweile nicht mehr.
„Wie du meinst“, sagte Alexej und zog die Augenbrauen hoch. Er war offenbar beleidigt, weil er – oder besser: sein Schwanz – nicht seinen Willen bekam.
Er rang sich zu einer letzten freundlichen Geste durch, als er fragte, ob er ein Taxi rufen solle. Julia verneinte und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Irgendetwas sagte ihr, dass sie das Richtige tat, indem sie erst einmal gar nichts machte.
Sie schickte ihn zurück zur Party: „Hau ab, ich komm schon klar. Es ist dein Geburtstag, da sollst du Spaß haben. Es tut mir leid, dass ich mich habe gehen lassen.“
Alexej wusste nicht, was er antworten sollte. Ein Teil in ihm wollte Julia, ein anderer Teil wollte die Konfrontation um jeden Preis vermeiden. Schließlich grinste er nochmals über die Schulter, als er die Tür wieder anlehnte und verschwand.
Es hätte schlimmer laufen können, dachte Julia und verbuchte den Abend trotz allem als Erfolg. Sie fühlte sich gut, obwohl so viel schief gelaufen war. Dass Alexej ihr nochmal nachgegangen war, bedeutete ihr sehr viel.
Julia war sogar so gut gelaunt, dass sie das Problem mit ihrem Mantel vergaß und sich ein Taxi rief. Bevor sie das prachtvolle Haus verließ und in die Kälte hinaus ging, schnappte sie sich doch noch eine der sauteuren Champagnerflaschen und beschloss, sich das exklusive Souvenir entweder gleich in ihrer eigenen Wohnung zu gönnen oder für einen anderen besonderen Anlass aufzuheben. Als
Weitere Kostenlose Bücher