Rasputins Erbe
kochen. Ich habe Irina gebeten, uns etwas vorzubereiten. Mit dieser Ausbeute habe ich allerdings nicht gerechnet“, erwiderte Alexej, der ebenfalls überrascht war und sich fragte, ob er versehentlich ein Buffet geordert hatte.
Meistens kamen Geschäftspartner zum Essen und da war es einfacher, wenn man als Gastgeber ein Buffet servierte.
„Setz dich – ich hoffe, du hast Appetit?“, sagte Alexej und zog einen Stuhl zurück, damit Julia sich setzen konnte. Sie legte den Mantel, den Alexejs Fahrer für sie aufbewahrt hatte, auf eine Kommode. Ihre Zweitjacke legte sie dazu. Sie freute sich über seine Aufmerksamkeit.
„Oh, du kannst ja ein richtiger Gentleman sein. Diese Seite kannte ich noch gar nicht“, witzelte Julia und setzte sich.
„Tja, ich stecke voller Überraschungen“, meinte Alexej und setzte sich ebenfalls. Julia zog unmerklich die Augenbrauen hoch, denn sie wusste nicht, ob Alexej auf seine komischen Launen anspielte oder ob er bloß einen Scherz machte.
Sie entschied, dass sie an diesem Abend alles ganz einfach auf sie zukommen lassen wollte. Ohne Stress und ohne böse Vorahnungen, die ihr die Stimmung vermiesten.
„Was machst du eigentlich, wenn du nicht gerade dein Unternehmen leitest? Spielst du dann Golf oder rauchst du teure Zigarren? Ich kann mir so ein Luxusleben nämlich nicht so richtig vorstellen“, begann Julia, als sie sich über die Köstlichkeiten auf dem stilvoll gedeckten Tisch hermachten.
Alexej schwenkte gedankenverloren sein Rotweinglas und starrte Julia mit seinen wieder zu Eissplittern verwandelten Augen an. Julia erschrak, denn sie wollte nicht, dass der schöne Abend schon jetzt von seinen Stimmungsschwankungen getrübt wurde.
Aber sie machte sich zu viele Sorgen. Als Alexej den Kopf leicht drehte, bemerkte Julia, dass ihr ein Lichtreflex, eine simple Spiegelung in seinen immer noch freundlich guckenden Augen, einen bösen Streich gespielt hatte. Alexej antwortete langsam: „Ich schwimme gern. Im Keller ist ein kleiner Pool, aber den habe ich schon länger nicht benutzt. Momentan finde ich kaum Zeit für so etwas. Ein paar meiner Freunde geben gern mit ihren schnellen Autos an oder mit sonstigen Trophäen, aber das ist nichts für mich. Ich hatte dir ja von meinem damaligen Geburtstagsgeschenk erzählt, dem Porsche. Das war eine Lektion für mich.“
Julia war einigermaßen beeindruckt, aber eines wunderte sie dann doch und seine Antwort kam ihm ein wenig scheinheilig vor. „Aber du lebst in diesem Palast und du hast sogar einen Fahrer, der dich in einem Jaguar herumkutschiert“, meinte sie und klang dabei abschätziger als sie es geplant hatte.
Alexej nahm ihr den Ton nicht übel und lächelte. Er stellte sein Weinglas ab, nahm das Besteck in die Hand und widmete sich nun etwas, das wie gebratene Gänsebrust aussah. Während er sich kleine Happen zurechtschnitt, sagte er: „Du hast schon Recht damit. Das passt scheinbar nicht zusammen. Aber ich finde, dass es einen Unterschied zwischen 'besitzen' und 'mit Besitz prahlen' gibt. Ich habe mir alles, was du hier siehst, durch harte Arbeit verdient -“
Julia unterbrach ihn, obwohl sie ihrerseits das Hirschmedaillon noch nicht vollständig heruntergeschluckt hatte: „Ich dachte, du hättest das alles geerbt?“
Alexej grinste und legte sein Besteck wieder hin. Er griff erneut nach dem Weinglas und hielt sich daran fest. Julia verunsicherte ihn und das war er nicht gewohnt. Ihr fiel das allerdings gar nicht auf. Sie wartete gespannt auf eine Reaktion.
„Ja, da ist was dran. Aber die Geschichten, die du vermutlich über die Gromow-Familie gehört hast, sind nicht alle wahr. In Wirklichkeit habe ich nur einen Bruchteil von dem geerbt, was mir eigentlich zugestanden hätte. Es ist eine lange Geschichte“, fügte er abwehrend hinzu und erklärte weiter: „Außerdem ist das alles schon sehr lange her. Lass uns lieber nicht über meine Vergangenheit reden. Erzähl mir etwas aus deinem Alltag. Normalität kann ich mir nämlich nicht so richtig vorstellen.“ Er lachte und nahm sein Besteck wieder auf, um weiter zu essen.
Julia sah ein, dass es vermutlich nicht der beste Augenblick war, um weiter in seiner Vergangenheit zu kramen. Aber es fiel ihr schwer, denn sie wollte so gern mehr über ihn erfahren. Jetzt hatte Alexej den Spieß geschickt umgedreht und Julia war am Zug.
Sie räusperte sich und begann zu erzählen: „Äh, ich gehe auch gern schwimmen. Aber ich habe keinen Pool im Keller. Da ist nicht einmal
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