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Rasputins Tochter

Rasputins Tochter

Titel: Rasputins Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Alexander
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und ihn beim Ärmel zu packen. Ich wollte ihn schlagen und ihn anbrüllen, sogar meine Abenteuer bekennen. Stattdessen, meine Geheimnisse und meine Leidenschaft behütend, drehte ich mich um und ging langsam durch die Handvoll Bittsteller. Zum ersten Mal erkannte ich traurig, dass mein Vater und ich nicht nur getrennte und auseinanderlaufende Wege gingen, sondern unsere Wege bestimmt waren, sich nie wieder zu kreuzen.
    Gegen drei am Nachmittag wurden Warja und ich tatsächlich zu einem Ausflug mit unserer Cousine Anna gezwungen, die neu in der Hauptstadt eingetroffen war. Sehr zu Annas Entzücken gingen wir direkt zum Newsky Prospekt, wo wir die zahlreichen Geschäfte des Gostiny Dwor besuchten und dann, indem wir die Straße überquerten, die hohe Arkade von Passazh . Sehr zu meinem Entsetzen aßen wir in der kleinen Wohnung von Annas engen Freundinnen, die fünf Jahre zuvor in die Hauptstadt gezogen waren. Wir kamen nicht vor zehn Uhr abends nach Hause, und als Dunja uns an der Tür begrüßte, konnte ich nicht einmal in ihre Augen schauen.
    Meinen Rücken zu ihr, als ich meinen Umhang aufhängte, fragte ich: „Wo ist Papa?“
    „Er hat einen Gast.“
    „Noch immer?“, sagte Warja, als sie aus ihren Stiefeln schlüpfte.
    „Euer Vater hat einen sehr geschäftigen Tag gehabt“, erwiderte unsere Haushälterin, als sie uns unsere tapotschki reichte, denn sie erlaubte uns nicht, in unseren bestrumpften Füßen bei einem so kalten Wetter herumzugehen.
    Als ich in den Salon blickte, sah ich, dass er leer war, was natürlich bedeutete, dass Papa seinen Gast in sein kleines Zimmer mit dem Sofa begleitet hatte. Dies wiederum sagte mir nicht nur, dass der Gast meines Vaters sicherlich eine Frau war, sondern wahrscheinlich eine Blondine - und fast sicher ebenso eine dralle.
    Gereizt fragte ich: „Wer besucht Papa zu dieser Stunde? Wie heißt sie?“
    Als ob sich Dunja nichts dachte, sagte sie leichthin: „Schwester Vera.“
    Meinen Kopf enttäuscht schüttelnd, ging ich davon in Richtung Küche. Ihr Name mochte Vera sein, und sie war wahrscheinlich die Schwester von jemandem, aber ich bezweifelte, dass sie eine Schwester der Wahrheit war.
    „Maria“, rief Dunja, „Wohin gehst du zu dieser Stunde?“
    „Etwas Tee machen. Ich muss aufbleiben, damit ich mit Papa reden kann.“
    „ Njet, njet, njet . Es ist schon viel zu spät.
    „Aber es ist wichtig!“
    „Was du auch zu sagen hast, es kann bis morgen warten.“
    „Aber -“
    „Ab ins Bett, ihr beiden - haut ab!“
    Dort auf dem Flur frierend, war ein Teil von mir bereit zu explodieren - wusste sie nicht, dass ich verstand, was zwischen Papa und ihr vor sich ging? - während der andere Teil in ihre Arme fallen und nicht nur über Elena Borisownas Warnungen, sondern ebenso über Sascha erzählen wollte. Stattdessen ging ich zu Bett, nur einer Sache sicher - dass es für uns alle am besten wäre, Petrograd beim Licht der morgigen Sonne zu verlassen. Vielleicht könnte Sascha folgen, aber Papa musste zu seiner eigenen Sicherheit die Hauptstadt so bald wie möglich verlassen. Ich war sicher, dass, wenn er für eine Weile in den fernen Wäldern lebte, er finden konnte, was er verloren hatte, genau die Sache, die die Verdorbenheit der Stadt ihm gestohlen hatte: seinen Hunger nach wahrer Spiritualität. In den vergangenen mehreren Jahren waren Papas Gesicht und Körper so fleischig und voll geworden, übersättigt von bodenlosen Weingläsern und endlosen Festessen.
    O Gott, dachte ich, als ich in meinem Zimmer stand, mein Kleid aufknöpfte und es zu Boden fallen ließ. Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte meinen dummen Vater und seine lächerlichen Handlungen nicht beobachten. Und ich wollte sicher nicht unter dem scharfen Auge unserer fetten Haushälterin sein. Ich gehörte nicht mehr hierher. Ich wollte bei Sascha sein. Ich wollte ihm meine Sorgen erzählen. Ich wollte seinen Rat. Ich sehnte mich nach seinen Armen um meinen Schultern, seine zärtliche Liebkosung, seinen süßen Kuss.
    Als ich mich auf den Rand des Bettes in meiner Unterwäsche setzte, bemerkte ich, dass mein Verstand und Körper taub waren. Ich wollte nicht mehr als Schlaf … und doch, wie könnte ich es wagen, meine Augen zu einer Zeit wie dieser zu schließen? Wenn ich davontrieb, wie könnte ich meinen Vater über die Großherzöge warnen? Besser noch, wie konnte ich Papa abhalten, sich selbst wehzutun, indem er etwas Dummes und Gefährliches tat, wie zu den Zigeunern zu gehen, um zu trinken und

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