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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Kindern, niedergemetzelt im Rausch. Kaum war
der Krieg vorbei, hatte man die Morde vergessen. Nur die Seelen der Verstorbenen
vergaßen nicht, sie riefen nach Gerechtigkeit. Gerechtigkeit , dachte Martin. Was ist das eigentlich? Eine leere Worthülse, die im Angesicht von Freisprüchen
niemals mit Inhalt gefüllt wurde. Hier erlebte er einen Mann, der in mehr als
fünf Jahrzehnten erfolgreich seine Taten leugnen konnte. Dem bisher kein Richter
eine Schuld nachgewiesen hatte, doch wie würde es nach seinem Tod aussehen? Martin
fielen die Worte von Feldmann ein, der davon überzeugt war, dass es noch ein Danach
geben würde. Einen Gott, der nicht als irdischer, sondern als himmlischer Richter
auftreten würde, der sich nicht von Eloquenz und mangelnden Beweisen würde blenden
lassen. Dem man nichts vormachen konnte, weil er alles wusste und alles sah. Martin
schüttelte fast verzweifelt den Kopf, weil er ahnte, wie auch dieses Gespräch auszugehen
drohte: Der Alte würde alles leugnen, mit seinem Anwalt drohen, ließe sie von einem
breitschultrigen Bodyguard rausschmeißen et cetera, et cetera. Er betrachtete den
Kranken, wie er selbstzufrieden grinste und sie verhöhnte. Er hätte zu gern seine
Faust tun lassen, wonach sie sich sehnte.
    Wegleiter
sah in die Gesichter der Beamten. Er spürte ihre Unsicherheit. »Ich empfinde Ihr
Auftreten als eine bodenlose Frechheit. Mein Arzt sagt, mein Zustand sei kritisch,
also rauben Sie mir nicht meine kostbare Zeit.« Martin hörte die sarkastische Stimme
des alten Mannes wie durch einen Nebel hindurch, und aller guten Vorsätze entledigt,
schob er sich an Werner vorbei. Dicht trat er neben Wegleiter. »Sie sind über 90,
nicht? Meinen Sie nicht, dass Sie schon lange genug gelebt haben?«
    Wegleiter
traute seinen Ohren nicht und wollte schon aufbrausen. Martin ließ ihn nicht zu
Wort kommen. » Wir stehlen Ihre Zeit?«, fragte er mit Ironie in der
Stimme.
    Werner sah
die Katastrophe, die unweigerlich ihren Lauf nahm.
    Martin lachte
kurz auf. »Sie haben unzähligen Menschen ihre Lebenszeit gestohlen, indem Sie sie
umgebracht haben. Diese Menschen waren mehr als nur in einem kritischen Zustand,
nachdem Sie ihnen Ihre Pistole ins Genick gehalten und abgedrückt haben.« Wegleiters
Augen weiteten sich. Er trug einen Verband am linken Handgelenk. Martin deutete
darauf und wechselte scheinbar das Thema. »Was haben Sie denn da gemacht?«, fragte
er mit einer Stimme, die wie mit Schadenfreude erfüllt klang. »Sind Sie gefallen?«
    Wegleiter
ging auf die Frage ein. »Nein, verdammt, ich habe mich geschnitten.« Martin trat
dichter an Wegleiters Bett und umfasste den Verband. Er sah Wegleiter in die Augen,
während er den Griff verstärkte. Dann drückte er zu. Wegleiter stöhnte schmerzverzerrt
auf.
    »Na? Tut
es weh?« Martin ließ los und beugte sich dicht über Wegleiters Gesicht. Er roch
den bitteren Atem des Todes. »Eine letzte Frage: Haben Sie diese Leute aus der Zeitung
umgebracht oder umbringen lassen? Ist man Ihnen doch noch nach all den Jahren auf
die Schliche gekommen, was? Sie dachten, man könne Kinder zeugen und sich aus der
Verantwortung stehlen. Und genau diese Kinder, die Sie längst vergessen haben, rücken
Ihnen jetzt auf den Pelz. Und Sie denken sich, ich mach’s wie früher und schaffe
aus der Welt, was mir ein Dorn im Auge ist?«
    Der Alte
hatte einen Blick, der echtes Entsetzen verriet.
    »Verflucht,
nein. Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Sie sind ja wahnsinnig, Mann! Hauen Sie endlich
ab!« Das Gesicht des kränklichen Mannes wechselte die Farbe von Aschgrau in das
Rot der letzten Ahornblätter an den Bäumen in seinem Park. Er nahm alle Kraft zusammen
und zischte durch die zigarrengewöhnten Zähne hindurch: »Das wird ein Nachspiel
haben, meine Herren. Darauf können Sie sich verlassen.« Mit der Schelle neben seinem
Bett ließ er seine Frau rufen. Es dauerte eine kleine Weile, bis sie erschien, um
die Beamten aus dem Krankenzimmer zu geleiten.
    »Ich muss
Sie bitten, jetzt zu gehen.« Ihre Stimme klang brüchig, und sie hatte Mühe, die
Contenance zu bewahren.
    »Wir sind
noch nicht fertig«, sagte Martin, dessen Adrenalin ungehindert durch die Adern schoss.
»Wir möchten noch Ihren Sohn sprechen.«
    »Der hat
keine Zeit für Sie. Er muss arbeiten.«
    »Hören Sie,
Lady. Ich lasse Ihren ganzen schicken Laden auf den Kopf stellen, wenn Sie nicht
endlich kooperieren. Sie werden sich wünschen, mich nie gekannt zu haben, das verspreche
ich Ihnen.«
    Der

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