Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
hier nicht erwünscht
waren. »Wir möchten Ihren Mann sprechen, Franz Wegleiter«, sagte Werner und zeigte
sein makelloses Gebiss bei einem breiten Grinsen, mit dem er die Dame milde stimmen
wollte. Ihre Miene veränderte sich indes nicht im Geringsten. Der Umgang mit Staatsdienern
schien ihr vertraut zu sein. »Das geht nicht«, sagte sie schroff. »Mein Mann ist
sehr krank. Sie müssen also mir Ihre Fragen stellen.«
Werner gab
sich unbeeindruckt von all dem Reichtum und der Macht, die in diesem Haus wohnte.
»Es ist wirklich wichtig«, säuselte Werner. »Wir haben nur ein paar kleine Fragen,
dann sind wir auch schon wieder weg.«
Die Dame
stöhnte auf und verzog verächtlich ihr von Falten durchfurchtes Gesicht. »Hören
Sie, ich wiederhole mich nur ungern. Ich habe Ihnen gesagt, dass mein Mann sehr krank ist. Das müsste doch reichen. Also! Was möchten Sie wissen?« Martin schob
Werner ein wenig zur Seite und ließ sich von der Frau mustern. Sie verzog ihr Gesicht,
als hätte sie Schmerzen, als sie den Zopf von Martin entdeckte. Männer mit Zöpfen
gehörten ihrer Ansicht nach nicht in dieses Haus, möglicherweise nicht in diese
Welt. Martin spürte, wie ihm warm wurde. Wenn er eines hasste, war es genau diese
Form von Arroganz, die sich auf Reichtum stützte. Eigentlich hasste er jede Form von Arroganz und Überheblichkeit, besonders, wenn man Anstoß an seinem Äußeren
nahm.
»Sie scheinen
nicht zu begreifen, wer wir sind, meine Gute. Wir kommen von der Polizei, und wenn
wir Ihren Mann sprechen wollen, dann tun wir das auch, ob es Ihnen passt oder nicht.
Wir können gern mit einem ganzen Tross von uniformierten Beamten hier auftauchen
mit Blaulicht und Sirene – das macht sich in der Nachbarschaft besonders gut, glauben
Sie mir. Gern auch noch ein paar Fotografen von der Presse.«
Frau Wegleiter
verlor für einen Augenblick ihre strengen Gesichtszüge und senkte den Kopf. Sie
gab sich geschlagen. »Na schön, aber nur kurz. Mein Mann ist bettlägerig. Wir wissen
nicht, wie lange er noch zu leben hat.«
»Wer weiß
das schon?«, nuschelte Martin.
Werner lächelte
die untersetzte Frau an und sah zu ihr herab. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir
sind bald wieder weg.« Frau Wegleiter gab den beiden zu verstehen, ihr die Treppe
hinauf zu folgen. Auf dem Treppenabsatz angekommen, ging sie nach links und schritt
durch einen langen Flur. Martin zählte, dass allein von diesem Flur sechs Räume
abgingen. Am Ende des Korridors blieb sie vor einer Tür stehen, an der sie anklopfte.
Sie ging hinein, und Martin bemerkte, wie ihre straffe Haltung verschwand, als hätte
sie Angst vor der Reaktion des hinter dieser Tür in seinem Bett Liegenden.
Sie war
nicht die Einzige, der es unwohl zumute war. Martins Herz klopfte aus einem Grund,
den er nicht verstand, bis zum Hals. Ein Mann, der als Kriegsverbrecher galt, dafür
aber nie verurteilt worden war, weil angeblich die Beweise fehlten, erregte seinen
Unmut. Die Ermittler betraten das Krankenzimmer. Martin spürte, wie sich seine Antipathie
beim Anblick des kranken alten Mannes verstärkte. So wie es in Feldmanns Haus eine
Art positive Aura gegeben hatte, herrschte hier eher eine bedrückende und schlechte
Laune verbreitende Stimmung. Martin konnte nicht ermitteln, woran dies lag. Die
Abneigung gegen alles, was mit Krankheit und medizinischen Geräten zu tun hatte,
überschattete die ungetrübte Wahrnehmung. Frau Wegleiter stellte sich vor das Bett.
»Franzl, hier sind zwei Männer von der Kripo. Ich habe ihnen gesagt, dass du …«
Es war in dem Raum derart schummrig, dass sie den Mann in dem Bett nicht erkennen
konnten. Außerdem verdeckte seine Frau die Sicht. Seine Stimme ertönte. Er ließ
seine Frau nicht ausreden. »Schon gut. Sie können bleiben.« Sein Ton war gefasst,
die Stimmlage tief wie bei einem Bariton und Ehrfurcht einflößend.
Es wurde
Licht gemacht. Eine über dem breiten Doppelbett angebrachte Leiste mit unzähligen
Spotlights erhellte das Gesicht des Mannes, von dem man hinter vorgehaltener Hand
sagte, er habe, gelinde formuliert, eine bewegte Vergangenheit gehabt. Frau Wegleiter
trat zur Seite und verließ das Zimmer.
Ein scheeler
Blick traf Martin.
Die Beamten
der Mordkommission machten Anstalten, ihre Ausweise zu zücken. Der Alte hob die
rechte Hand. »Lassen Sie ruhig stecken. Ich sehe auch so, dass Sie von der Polizei
sind. Das gilt zumindest für Sie.« Der Alte deutete auf Werner.
Zorn flackerte
in Martin auf. Er hatte versprochen,
Weitere Kostenlose Bücher