Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
sterben öfter während einer OP, das weiß doch jeder.«
»Bitte,
regen Sie sich nicht auf, Herr Wegleiter. Ich sagte doch, wir haben gehofft, dass
Sie uns weiterhelfen können. Es war nicht unsere Absicht, Sie dermaßen zu verunsichern.
Obwohl ich erstaunt bin, wie gut Sie über die Einzelheiten von Frau Seiferts Tod
informiert sind. Ich weiß nicht mal, ob in den Zeitungen davon die Rede war, dass
die Patientin übergewichtig war.«
Wegleiter
junior wurde jetzt ungehalten und gab sich keinerlei Mühe mehr, die antrainierte
Höflichkeit aufrechtzuerhalten. »In meiner Zeitung stand es. Keine Ahnung, welche
Käseblätter Sie lesen.« Hartmut Wegleiter richtete seinen Oberkörper auf. »Hören
Sie. Ich bin ein Mensch der Öffentlichkeit. Sie können nicht irgendwelche Lügen
in die Welt setzen. Wir stehen kurz vor der Wahl. Wenn ich ein Wort von dem, was
Sie sagen, in der Presse lese, möge Ihnen Gott gnädig sein. Ich werde persönlich
dafür sorgen, dass Sie den Rest Ihres Lebens das Polizeiarchiv putzen werden.«
Werner nickte
und sah Wegleiter von der Seite an. »Ich glaube, Sie überschätzen Ihren Einfluss.
Sie wollen uns also nicht weiterhelfen? Na schön. Ich nehme an, wir dürfen wiederkommen,
wenn wir weitere Fragen haben?«
»Nein, das
dürfen Sie nicht. Ich werde jetzt meinen Anwalt anrufen und noch ein paar weitere
Leute und wenn ich Sie hier noch einmal erwische, lasse ich Sie vom Grundstück entfernen.«
Nun konnte sich Martin nicht mehr zurückhalten. Er hatte das Schauspiel mit Genuss
betrachtet. Wie Werner kunstvoll gepokert und den aalglatten Politiker aus der Reserve
gelockt hatte, das war fantastisch. Wie die Fassade anfing zu bröckeln und die nackte
Angst nicht zu verbergen gewesen war.
»Es ist
gar nicht nötig, hierherzukommen, um Sie zu sprechen. Sie sagten, Sie sind ein Mann
der Öffentlichkeit. Es dürfte demnach nicht schwer sein, Sie dort zu finden, um
Sie vor allen Leuten in Handschellen abzuführen. Würde mir echt ’ne Freude sein.«
Nach diesem Satz, der Wegleiter sprachlos machte, erhoben sich die Beamten.
»Danke,
bemühen Sie sich nicht«, sagte Werner. »Wir kennen den Weg.« Wegleiter verharrte
bewegungslos in der Mitte des Raumes und der Schein des prasselnden Feuers spiegelte
sich auf seiner feuchten Stirn. In der Ferne hörte er die Haustür ins Schloss schlagen,
bevor er das Telefon zur Hand nahm und eine ihm geläufige Nummer wählte.
Kapitel 41
Hamburg-Blankenese, 10 November
2010
Der BMW verließ das Grundstück der
Familie Wegleiter, und der Fahrer gab sich keine Mühe, den frisch geharkten Kiesweg
der Auffahrt in perfektem Zustand zu hinterlassen. Es war ihm egal, was man über
ihn dachte, denn dafür war es eh zu spät. Minuten später würden Telefone klingeln,
und am nächsten Morgen wäre das gesamte Präsidium über den Vorfall informiert.
»Glaubst
du ihm?«, fragte Martin seinen Kollegen, der käsebleich auf dem Beifahrersitz hockte.
»Wem? Dem
Alten oder dem Jungen?«
»Na, beiden.
Wenn du mich fragst, die ganze feine Familie lügt und das schon ihr ganzes beschissenes
Leben.«
»Das Problem
ist, dass es an uns liegt, die Beweise heranzuschaffen, und zwar möglichst schnell.«
Martin versank
in Gedanken und begann zu lachen. »Das hast du echt gut gemacht. Du hattest ein
perfektes Pokerface. Ich weiß nur nicht, wer mehr Dreck am Stecken hat. Der Alte
oder der Junge.«
Martin las
die Zeit auf dem beleuchteten Display des BMW ab. »Was machen wir jetzt? Hast du
noch Zeit? Es ist erst sieben.«
»Erst? Zu
Hause wartet meine Frau mit dem Essen, und ich würde es, ehrlich gesagt, auch nicht
gern verpassen.«
»Hey, wie
kannst du jetzt ans Essen denken?« Martin schlug sich mit der flachen Hand vor den
Bauch. »Sieh mich an. Hab schon zwei Kilo runter. Und«, fügte er hinzu, »ich habe
seit drei Tagen keine Zigarette angerührt. Was sagst du jetzt?«
»Wow. Das
ist toll. Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
»Tja. Meinst
du, nur du schaffst das? Wir ziehen das zusammen durch, okay?«
Werner nickte.
»Okay. Also. Was machen wir jetzt?«
»Auf zum
nächsten Gangster, würde ich sagen.«
»Fürst?«
»Genau«,
bestätigte Martin und erntete erwartungsgemäß ein frustriertes Stöhnen seines Kollegen.
Nachdem
es für die ermittelnden Beamten nichts mehr zu verlieren gab, beschlossen sie, den
nächsten Besuch in Angriff zu nehmen. Es war kurz nach 19 Uhr, und Zeit war ein
kostbares Gut, von dem sie gern mehr gehabt hätten. Außerdem war
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