Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Sie und Ihre ganze Familie
ins Präsidium vorladen, wenn Ihnen das lieber ist. Haben wir uns jetzt verstanden?«
Es dauerte
eine kleine Weile, in der die Dame am anderen Ende der Leitung über die Situation
nachdachte oder sich mit jemandem besprach. Kurz bevor Martin seinen Daumen auf
den Klingelknopf drückte, um Sturm zu schellen, klickte der Mechanismus des massiven
weißen Tores auf und es schwang zur Seite. Drei PKWs hätten mühelos nebeneinander
durch das Tor die Auffahrt entlangfahren können.
Werner steuerte
den BMW über die mit edlem weißen Schotter bedeckte Zufahrt. Noch sahen sie das
Wohnhaus nicht, sondern fuhren durch eine Art Park, der sich in perfektem Zustand
befand. Kein einziges Blatt lag auf dem Rasen, alles schien täglich unter der Obhut
einer Schar von Gärtnern zu liegen.
Als Pohlmann
den inneren Türgriff des Wagens in der Hand hielt, griff ihm sein Kollege an den
Arm. »Hör zu, Martin. Wir betreten hier ziemlich dünnes Eis, das weißt du ja. Ein
falsches Wort und wir stellen die nächsten fünf Jahre Strafzettel aus. Außerdem
müssen wir bluffen. Außer deinen drei Akten haben wir rein gar nichts in der Hand.«
»Aber das
weiß der Alte ja nicht.«
»Trotzdem.
Das hier wird eine Gratwanderung. Wenn der Großvater von Klaus oder der Polizeipräsident
mit Wegleiter bekannt oder gar befreundet ist, können wir eigentlich nur verlieren,
aber so wie ich das sehe, haben wir keine Wahl.« Martin nickte.
»Wir können
trotzdem versuchen, mit heiler Haut hier rauszukommen. Halt einfach deine Emotionen
ein bisschen im Zaum.«
Martin erhob
die Hände, als wolle er sich ergeben. »Hey, kein Problem. Ich bin die Ruhe selbst.
Von mir aus kannst du gern den Alten ausquetschen und ich halt die Klappe.«
Werner grinste.
»Ich glaub zwar nicht, dass du das schaffst, aber okay, wir probieren es.«
Die Beamten
stiegen aus dem Wagen und gingen die sieben Marmorstufen zur Haustür empor. Alles
an diesem Haus strotzte vor Eleganz. Martin drückte einen Klingelknopf aus Messing.
Eine junge Frau mit einer weißen Schürze öffnete den beiden.
»Guten Tag.
Was kann ich für Sie tun?«
Martin zückte
den Ausweis, um die Sache abzukürzen. »Kripo Hamburg, wir sind angemeldet.« Die
Haushälterin trat zur Seite und machte den Ermittlern Platz.
»Wenn Sie
einen Augenblick warten möchten. Frau Wegleiter wird Sie gleich bitten lassen.«
Martin sah der jungen Frau nach, wie sie auf einer mit rotem Teppich belegten Treppe
ins obere Stockwerk verschwand.
»Frau Wegleiter
wird Sie gleich bitten lassen« , frotzelte Martin und äffte die Stimme der
jungen Frau nach. »Ich komme mir vor wie in einem alten Aristokratenfilm.« Werner
kommentierte die Bemerkung nicht und ging in der imposanten Eingangshalle auf und
ab. Er verschränkte seine Hände hinter dem Rücken und sah sich um. Die alte Dame
muss von einem anderen Raum mit uns gesprochen haben, dachte er. Er vermutete, dass
es in diesem Haus einen Sicherheitsraum geben müsse, in dem alle Kameras auf verschiedenen
Bildschirmen zusammenliefen. Das Foyer, in dem sie standen, war mit verschwenderischem
Luxus ausgestattet, damit der Besucher auf Anhieb wusste, mit wem er es hier zu
tun hatte: mit einem schwerreichen Mann und seiner Familie, die es nicht für nötig
hielten, ihren Reichtum zu verbergen. Mit einem schnellen Blick in die Runde erfasste
Werner die Details: ein Kronleuchter, der sein Erspartes verschlingen würde, vermutlich
echte Ölbilder am Treppenaufgang und ein gigantischer Perserteppich, an dem die
an der Armutsgrenze lebenden Knüpfer sicher ihr gesamtes Leben verbracht hatten.
Zehn Minuten
später erschien eine ältere Dame auf dem Treppenabsatz und schritt wie eine Diva
die Stufen herab. Von Ferne erkannte man, dass diese Frau den Glanz der Upperclass
mit vollen Zügen genoss. Sie stützte sich an dem blanken Messinggeländer ab und
achtete auf ihre Schritte. Die Jüngste war sie nicht mehr, obwohl ihre Kleidung,
ihr Schmuck an Hals und Handgelenken und ihre aufwändige Frisur keinen Zweifel daran
ließen, dass sie mit dem Leben noch lange nicht abgeschlossen hatte.
»Guten Tag,
darf ich Sie um Ihre Ausweise bitten?«
Rasch zeigten
Martin und Werner die Papiere, die sie in die Hand nahm und, scheinbar genau wissend,
wie sie echt von falsch zu unterscheiden hätte, anschaute.
»In Ordnung.
Was kann ich für Sie tun?« Sie gab den Ermittlern die Ausweise zurück. Ihre Stimme
klang kalt und abweisend, und den Beamten wurde klar, dass sie
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