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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Gegenteil von dem tat, was er fühlte. Er glaubte,
dass die Verachtung den Menschen gegenüber von der Hingabe an sie während des Pflegens,
Waschens, Fütterns und des Kümmerns ausgelöscht werden könnte. Er ging davon aus,
dass man, wenn man sich nur genug anstrengen würde, um ein besserer Mensch zu werden,
es auch schaffen könnte. Dass man jahrzehntelange Demütigungen ungeschehen machte,
indem man sie in Gedanken nicht mehr heraufbeschwor. Dass die Gene überlistbar seien
und Gedanken an Tod und Teufel durch gute Taten besiegt werden konnten.
    Als er begriff,
dass die Altenheime nicht der richtige Platz für ihn waren, wechselte er in den
Pflegedienst der Psychiatrie. Er absolvierte eine weitere Ausbildung, lernte zu
jener Zeit seinen Gönner kennen und fand nach dessen Fürsprache seine Bestimmung
in den Örtlichkeiten, an denen die übelsten geisteskranken Straftäter verwahrt wurden.
Ihnen galt seine Loyalität und sie wollte er pflegen. Das waren seine wahren Helden,
um die er sich kümmern wollte. Die erwünschte Verwandlung fand verständlicherweise
nicht statt. Stattdessen wuchsen Gedanken in ihm heran, die wie Ausläufer giftiger
Schlingpflanzen von den kranken Gemütern der Patienten auf ihn übergriffen. Niemand
in der Klinik hatte Einblick in seine inneren Kammern, in denen er seine Dämonen
fütterte. Der verschlossene, aber hilfsbereite Pfleger Lars Dräger. Bis zu dem Zeitpunkt,
an dem er sich hatte versetzen lassen. Man trug ihm auf, auf jene Station zu kommen,
wo Prof. Hans Keller das Sagen hatte. Was er nicht wusste, war, dass sich Keller
auf die Fahne geschrieben hatte, all seine Mitarbeiter genau kennen zu wollen, wie
seine eigene Familie. Die Menschen, mit denen er mehr Zeit verbrachte als mit allen
anderen, wollte er gut kennen und benötigte als ausgezeichneter Psychoanalytiker
nur wenige Sitzungen, um herauszufinden, wie jeder Einzelne tickte. Um festzustellen,
dass Lars Dräger eine Zeitbombe war, brauchte er nicht lange.
    Doch diese
Tatsache war nicht der alleinige Grund für Hans Kellers Tod.

Kapitel 53
     
    Scharmbeck, 12. November 2010
     
    »So, ihr Lieben. Wer will der Erste
sein?« Dräger ließ die verrostete Zange, mit der er eines seiner Opfer peinigen
wollte, wie das Maul eines Haifisches auf- und zuschnappen. Breitbeinig stellte
er sich vor die Pritsche, und in seinen Augen leuchtete ein seltsames Feuer. Kalte,
tote Augen, mit denen er Feldmann taxierte.
    »Wie wär’s
mit Ihnen, Gottesmann? Haben Sie schon Ihr letztes Gebet gesprochen? Ich wette,
Sie haben die ganze Nacht zu Ihrem taubstummen Gott gewinselt. Ich frag mich zwar
immer, wie man so dämlich sein kann, seine Zeit mit Beten zu vertrödeln, aber gut.
Ist Ihre Sache. Sie werden gleich erkennen, dass es umsonst war und da, wo Sie hingehen,
niemand auf Sie warten wird. Da wird nichts als schwarze Leere sein, in die Sie
eintauchen und mit ihr verschmelzen werden.« Dräger trat einen Schritt vor. »Vorher
jedoch werden wir uns noch ein wenig vergnügen, hm? Was meinen Sie?«
    Pohlmann
atmete schwer. Er wollte die Situation nicht annehmen, wie sie war. Dieses ganze
Gequatsche von Kismet und Bestimmung, von dem Unausweichlichen und Unveränderlichen. Solange man denkt und handelt, ist alles zu verändern. Die Geschichte ist nicht
eher geschrieben, bis man den Füllfederhalter in die Hand nimmt und aufschreibt,
was im Leben passieren soll und was nicht. So dachte er, bis ihm der sinnlose
Tod von Sabine einen Strich durch dieses Konzept machte. Gedanken, die ihn aufs
Neue begannen zu lähmen. Doch nun galt es zu handeln. Er war noch lange nicht bereit
zu sterben, erst recht nicht jetzt, wo er zwei Tage zuvor meinte, die Frau seines
Lebens kennengelernt zu haben.
    »Dräger,
hören Sie auf mit dem Scheiß!«, befahl er ihm mit gepresster Stimme. »Was denken
Sie denn, wie lange Sie uns hier noch festhalten können? Alle im Präsidium wissen,
wo wir sind. Wir beobachten Sie schon seit einer Ewigkeit. Die Kollegen sind jeden
Moment hier und nehmen Sie fest.«
    Dräger legte
den Kopf in den Nacken und gab ein schallendes Gelächter von sich.
    »Das ist
alles Quatsch, Mann.« Tiefer Sarkasmus war aus seiner Stimme zu hören und eine Selbstsicherheit,
die erschreckend war. »Nicht Sie haben mich beobachtet, sondern ich Sie. Sie alle!«
Dräger machte mit der Waffe in der Hand eine ausladende Bewegung. »Ich sehe alles
und ich weiß alles.« Dräger schaute überlegen auf Pohlmann, der wie ein Häufchen
Elend auf der Pritsche

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