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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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werden oder erst morgen? Heute sterben oder am nächsten Tag?
    Seine Hand
zitterte derart unkontrolliert, dass er mit der linken die rechte stützen musste,
um ein Hölzchen zu ziehen. Er zog und sackte in sich zusammen. Sofort begann er
hemmungslos zu weinen, weil die Anspannung ihren Tribut forderte.
    Dräger setzte
ein feistes Grinsen auf und wandte sich Martin zu.
    »Ich wollte
schon immer mal einen Bullen fertigmachen.« Er hob das verbliebene kurze Streichholz
triumphierend in die Höhe. »Gerecht ist gerecht. Der Pfaffe hat dir den Vortritt
gelassen.« Er kam auf Pohlmann zu und hielt ihm die Waffe vor die Nase. »Komm, steh
auf, Bulle, und sag zu deinem Gönner artig Danke schön.«
    Pohlmann
blickte in die verstörten Gesichtszüge Feldmanns und ahnte, welchen Kampf er innerlich
ausfechten mochte: Den Verlust jeglicher Souveränität, die Hoffnung auf ein gutes
Ende dieser Geschichte, und möglicherweise prüfte er den Gehalt seines Glaubens,
wägte ab, was nach den all den Jahren tiefer Frömmigkeit und Religiosität an Essenz
übrig war, die in der Lage wäre, ihn hier durchzutragen. Viel Zeit blieb Martin
jedoch nicht, sich um Feldmann und Emilie Sorgen zu machen. Es ging um seinen eigenen
Hals, den er aus der Schlinge ziehen musste. Dieses Gerät in Drägers Klauen sah
alles andere als harmlos aus und man spürte, dass er keine Probleme damit haben
würde, es anzuwenden, was auch immer man damit anstellen konnte. Pohlmann würde
es bald erfahren und zwar intensiver, als es ihm lieb gewesen wäre.

Kapitel 54
     
    Scharmbeck, 12. November 2010
     
    Dräger hatte die mit Eisenbeschlägen
gesicherte Tür verschlossen und Emilie und Feldmann in der Dunkelheit ihren trüben
Gedanken überlassen. Niemand hegte den geringsten Zweifel daran, dass Dräger als
gemeingefährlich einzustufen war. Ein Killer, der nicht das leiseste Mitgefühl kannte,
obwohl er seit Jahren in Einrichtungen arbeitete, die ihm genau dies abverlangten.
    Der Peiniger
schien an alles gedacht und die Gefangennahme gründlich geplant zu haben. Alles
war für diesen Tag vorbereitet.
    Dräger verdiente
den Namen Bulle zu Recht, nicht als umgangssprachlichen Hinweis auf einen bestimmten
Berufsstand, sondern im Hinblick auf Kraft und Grobschlächtigkeit. Er schnappte
sich Pohlmanns rechten Arm und drehte ihn heftig auf den Rücken, bis es im Schultergelenk
hörbar knackte. Dieses Geräusch, das an das Brechen morscher Äste erinnerte, wurde
nur durch Pohlmanns Aufschrei übertönt. Feldmann und Emilie hörten den Schrei des
Polizisten, der ihnen durch Mark und Bein ging. Mit der Waffe an seiner Schläfe
und dem Arm auf dem Rücken konnte sich Martin keinen Zentimeter bewegen, ohne sich
höllische Schmerzen zuzufügen. In leicht gebückter Haltung blickte er auf einen
Stuhl, an dem auf beiden Armstützen Bandagen aus Eisen angebracht waren. Das Ungetüm
hatte am Halsbereich ebenfalls eine Vorrichtung zur Fixierung des Kopfes und auf
einer Fußstütze ähnliche Elemente zum Festschnallen der Beine. Wie bei einem elektrischen
Stuhl, auf dem die Verurteilten ihr Leben ließen, vermittelte dieses Gerät den Eindruck,
dass, war man einmal darauf angeschnallt, man seinem Peiniger unwiderruflich ausgeliefert
war. Ein wahrhafter Folterstuhl, unendlich viel schlimmer als jene, denen man diese
Bezeichnung zur Behandlung von Zähnen nachsagte. Wie gern würde Martin den Stuhl,
in dem Dräger ihn jetzt Platz nehmen ließ, gegen jene Stühle in Zahnarztpraxen eintauschen.
Lieber eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung als das, was ihn nun erwarten sollte.
     
    *
     
    In dem geringen Radius, den die
Vorrichtung seinem Kopf ließ, sah er sich in dem Kellerloch um. Wohin sein Blick
auch gelangte, überall sah er Geräte, Werkzeuge, Messer und Haken sowie verschiedene
zangenartige Gebilde, die eines gemeinsam hatten: Sie würden dem Menschen, an dem
sie angewendet werden sollten, unsägliche Schmerzen zufügen. In früheren Zeiten
wurden mit ihnen Geständnisse erzwungen, der Glaube widerrufen oder die Denunziation
der Widersacher erwirkt. Vor allem aber dienten sie dem Quälen und der Läuterung
gepeinigter Seelen.
    Die Schnallen
an Hand- und Fußgelenken waren so stramm angezogen worden, dass der Verdacht nahelag,
dass Dräger bereits bei diesen anfänglichen und unbedeutenden Verrichtungen ein
hohes Maß an Befriedigung empfand. Einen Bullen gefangen zu nehmen, ihn mit der
eigenen Waffe einzuschüchtern, ihn auf einem Folterstuhl aus dem elften

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