Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
weißen Schaum gerichtet, der über den
Dosenrand lief. »Ich reagiere wie ein Mann, den man nicht mal in Ruhe ankommen lässt,
dem man eigentlich ein paar Tage Zeit geben müsste und der einen Tag, nachdem er
den Flieger verlassen hatte, in eine Klapse geschickt wurde.«
Werner lachte.
»Ja, du hast recht, aber Lorenz meint, jeder Tag sei wichtig in diesem Fall. Er
wird dir morgen alles erklären.«
Er schmunzelte.
»Okay. Jetzt mal im Ernst. Wie ist es dir ergangen? Wir haben das letzte Mal miteinander
telefoniert, kurz nachdem du dort angekommen bist. Mann, das ist fast zwei Jahre
her!«
Martin starrte
noch immer die Dose Bier an und holte tief Luft. »Ja, du hast recht. Ich hätte mich
melden müssen. Aber es war nicht so, wie man es im Fernsehen sieht. Sich in einem
fremden Land eine neue Existenz aufzubauen, noch dazu in Ecuador, ist nicht ganz
einfach. Ich hatte wirklich viel zu tun.« Je mehr Martin redete, desto mehr spürte
er, dass alles, was er vortrug, nur haltlose Entschuldigungen waren. Natürlich hätte
er anrufen oder schreiben können, doch der Strich, den er unter sein altes Leben
ziehen wollte, sollte wie mit chirurgischer Präzision erfolgen und schloss leider
seine Freunde mit ein, von denen er glaubte, sie nicht so bald wiedersehen zu können.
Martin fuhr
sich mit beiden Händen durch das Haar und sah Werner direkt an. »Aber es stimmt.
Tut mir leid. Es war nicht richtig, dich ohne einen Brief oder einen Anruf hängen
zu lassen. Ich wollte einfach nur hier weg. Verstehst du das?«
Werner lehnte
sich zurück. »Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte. Ich weiß nicht einmal, ob
ich den Mut gehabt hätte abzuhauen. Man ist so fixiert und angekettet an seine ganzen
Gewohnheiten. Ich könnte es mir sowieso nicht vorstellen, meine Familie zu verlassen,
schon allein wegen der Kinder.« Er nahm einen großen Schluck. »Trotzdem. Das muss
doch der absolute Traum sein, dort zu leben.«
Martin prostete
Werner zu. »Ja, das war es auch. Zumindest am Anfang. Das Hotel lief super an, meine
Freundin hing an meinen Lippen, und auch sonst – du weißt schon –, ich mixte die
Cocktails an der Bar, kümmerte mich um die Finanzen.« Martin nickte mit dem Kopf
wie zur Bestätigung seiner Ausführungen. »Dann bekam ich nach einem halben Jahr
diese Allergie. War bei jedem Arzt, den dieses Nest im Umkreis von 200 Kilometern
zu bieten hatte. Sogar ein indianischer Medizinmann hat’s probiert. Nichts half.
Also musste ich bei 35 Grad von oben bis unten in Klamotten eingepackt draußen herumlaufen.
Später bin ich nur noch abends raus oder blieb überhaupt im Haus. Nahm dann nur
noch einmal in der Woche eine Tour zum Whale Watching an. Davor jeden Tag, verstehst
du?« Werner nickte stumm.
»Vielleicht
habe ich zusätzlich auch noch eine Nahrungsmittelallergie, was weiß ich. Alles schien
auf einmal gegen mich zu sein. Mein Traum vom Paradies.«
Martin hing
seinen Gedanken nach. Dann schien der eigentliche Grund seiner Frustration an die
Oberfläche kommen zu wollen.
»Mayra veränderte
sich auch allmählich. Was soll ich sagen? Routine auf der ganzen Linie, schon nach
einem Jahr. Ich war natürlich nicht mehr ihr Traummann mit all den Pickeln am Körper
und besonders der Wampe und sie hat nur noch rumgekeift und im Hotel ihre Pflichten
vernachlässigt. Irgendwann hab ich sie dann mit ’nem Kerl aus der Nachbarschaft
erwischt. Einem Fischer. Muskelbepackte Arme, flacher Bauch, kleines Hirn.« Werner
verstand auf Anhieb.
»Das war
genau vor einem Monat. Ich hab wie ein Wahnsinniger rumgepöbelt, die Vasen durchs
Haus geschmissen und mich zu guter Letzt noch mit einem Gast angelegt, der sich
gestört fühlte. Hab ihm aufs Maul gehauen und ihn mit seinen Klamotten auf die Straße
gesetzt, und als die Polizei kam, war der Ofen ganz aus. Die haben mich tatsächlich
eine Nacht eingesperrt. Ich war wohl nicht besonders beliebt in dem Kaff. Na, jedenfalls
ahnte ich zu diesem Zeitpunkt schon, dass ich nicht bleiben kann und will. Als ich
am nächsten Morgen nach Hause kam, war Mayra weg. Mitsamt ihren Klamotten, meiner
Kohle und dem Scheißkerl wahrscheinlich auch. Die Gäste saßen ohne Frühstück da
und maulten. Vor einer Woche hab ich den Besitzer angerufen, die Pacht gekündigt
und das Hotel dichtgemacht. Hab Lorenz angerufen, nach meinem alten Job gefragt,
und wie der Zufall es wollte, war er heilfroh, von mir zu hören.«
Martin deutete
auf die braune Kladde.
»Jetzt weiß
ich auch
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