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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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wie wenn man
nach einem Arbeitstag in seine Höhle zurückkehrte oder drängte sich ihm ein fremdartiges
Erinnern auf wie nach einer Gehirnerschütterung mit retrograder Amnesie? Der Blick
in die Hamburger Skyline, umrahmt von einer Farbe, die er beinahe zwei Jahre am
Himmel nur extrem selten gesehen hatte, machte ihn schwermütig. Er fühlte sich wie
in einem Schiffshebewerk, wenn sich die Tore hinter einem schließen und jene davor
noch eine Weile verschlossen bleiben.
    Nachdem
er den gröbsten Staub beseitigt hatte, begann er gegen Abend, die Wohnung nach Alkohol
abzusuchen und fand einen uralten, wahrscheinlich längst ungenießbaren Weinbrand.
Er öffnete die Flasche, roch daran und schüttete einen großen Schluck die Kehle
hinunter. Er schmeckte nicht wie der Ron Royale, an den er sich gewöhnt hatte, jener
exzellente Rum aus dem Land seiner alten Träume, aber die Wirkung war gottlob die
gleiche. Dann drehte er sich eine Zigarette, die überall gleich schmeckte, und überlegte
die nächsten Schritte.
    Martin besaß
noch einen alten Technics-Plattenspieler und wählte eine Scheibe von ›The Cure‹.
Er las den Namen der LP mit dem seiner Situation angepassten Titel ›Disintegration‹
und verfiel bei gutem alten New Wave in eine undefinierbare Stimmung. Er kannte
den Song ›Closedown‹ noch gut und begann, einzelne Sequenzen mitzumurmeln.
     
    I’m running out of time
    I’m out of step and
    Closing down and
    Never sleep for wanting hours
    The empty hours of greed
    And uselessly
    Always the need
    To feel again the real belief
    Of something more than mockery
    If only I could
    Fill my heart with love.
     
    Schließlich griff er zum Telefon
und wählte die Nummer seines einst guten Freundes und Jetzt-wieder-Kollegen Werner
Hartleib. Nummern, die man oft gewählt hatte, vergisst man nicht. So hatte er auch
diese siebenstellige sofort parat.
    »Hi, Werner,
ich bin’s, Martin. Ich könnte ein bisschen Hilfe beim Wiedereinstieg gebrauchen.
Wir hatten heute ja nicht viel Gelegenheit, miteinander zu quatschen. Kann ich dich
zu einem Bier überreden?«
    »Du, eigentlich
hatte ich schon was anderes vor.«
    Eine Pause
entstand.
    »Aber okay,
das kann ich verschieben. Ja, ’n Bier wär toll. Ist in einer Stunde okay?«
    »Perfekt.
Das Bier müsstest du allerdings auch mitbringen. Hab ich beim Einkaufen heute vergessen.«
    »Alles klar,
ich bring ein Sixpack mit.«
     
    Die nächste Stunde verbrachte Pohlmann
mit Grübeln, Aufräumen und Musik hören. Er durchsuchte seinen Kleiderschrank nach
optisch akzeptablen Hemden und stellte fest, dass noch das eine oder andere Hemd
passte, obwohl er nördlich der Hüften ordentlich zugelegt hatte. Er freute sich
auf das Bier mit Werner und hoffte auf einige stimmungsaufhellende Worte seines
Kollegen. Die berufliche und private Situation verwirrte ihn, und er brauchte jemanden,
der ihm half, Ordnung in seinem Kopf zu schaffen.
    Als Hartleib
erschien, hatte Pohlmann bereits den zweiten Cognac aus der Flasche getrunken, mit
nur einem vor Stunden verdauten Cheeseburger als Grundlage.
     
    Vor seiner Abreise waren Martin
Pohlmann und Werner Hartleib gute Freunde gewesen, und Hartleib fühlte sich zu Beginn
von Martins Auszeit von ihm im Stich gelassen. Er hielt es für das Beste, dies vorerst
nicht zur Sprache zu bringen, und ließ zischend den Inhalt der ersten Dose Bier
in sich verschwinden. Manche Dinge regeln sich von allein, so hoffte er.
    »Morgen
gehe ich zum Chef und geb ihm den Fall zurück.« Martin stellte die leere Dose auf
dem Beistelltisch ab.
    »Wieso?«,
fragte Werner scheinheilig. »Was stimmt damit nicht?«
    »Ich bin
doch nicht bescheuert. Als ich bei der Alten im Zimmer stand, war mir sofort wieder
klar, warum ich damals nach Ecuador abgehauen bin. Sie ist ’ne Psycho-Lady, das
ist dir schon klar, oder? Als ich die Anstalt verließ, hat mich noch ein Irrer aus
dem Hinterhalt angesprungen und zu Tode erschreckt. Er fand das wohl ziemlich witzig.«
Martin nahm die Kladde von Emmi zur Hand. »Und dann noch dieses Buch mit dem Geschreibsel
von einer Irren. Beweismittel, sagt Lorenz. Soll ich gründlich durcharbeiten, auf
der Suche nach Hinweisen zu dem Mord an dem Nazi. Starker Tobak für den ersten Tag,
findest du nicht?«
    Werner sah
Martin eine Weile von der Seite an. »Du reagierst nicht gerade wie ein Mann, der
aus einem ziemlich langen Urlaub kommt. Ist wohl nicht so gut gelaufen im Süden,
hm?«
    Martin öffnete
die zweite Dose und hielt den Blick auf den

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