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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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ab und klemmte sie unter den
linken Arm. Er näherte sich dem Tresen und nahm den Wirt mit seinem stechenden Blick
gefangen. Freundlich, aber mit klarer Stimme erteilte er, wie er es gewohnt war,
Anweisungen.
    »In wenigen
Minuten werden zwei meiner Kameraden hier eintreffen. Ich wäre Ihnen verbunden,
wenn Sie uns einen ruhigen Raum zur Verfügung stellen würden, wo wir ungestört sein
werden.«
    Der Wirt
wischte sich eilig seine Hände an der Schürze ab.
    »Selbstverständlich,
Herr … Leutnant.« Der Wirt schielte auf die drei Sterne am Revers seines Gegenüber.
    »Hauptsturmführer,
bitte«, korrigierte ihn Strocka. Er taxierte den Wirt und dachte sich seinen Teil.
    »Ist schon
in Ordnung.«
    Der übergewichtige
Mann war nicht sonderlich bewandert in militärischen Dingen. Dank seines steifen
Knies war ihm der Geruch von blutgetränkter Erde in Schützengräben erspart geblieben.
Irritiert lächelte er zurück und stolperte durch einen schmalen Gang zu einem weiter
hinten gelegenen Gastraum. Er öffnete die schwere Holztür, schaltete das Licht an
und wies Strocka zu einem der sechs ungedeckten Tische. Der Hauptsturmführer, dem
die Nervosität des Mannes nicht entgangen war, genoss seine Überlegenheit. Diesem
Zivilisten gegenüber konnte er seine Position und die ihm verliehene Macht mühelos
ausspielen. Wenige Minuten später würden zwei Männer eintreffen, denen er nichts
würde vormachen können. In deren Gegenwart würde jede Unbeschwertheit verschwinden,
obgleich es seine ›Freunde‹ waren.
    »Bitte bringen
Sie mir ein Glas Weißwein und führen Sie meine Kameraden an meinen Tisch, wenn sie
eintreffen.«
    »Selbstverständlich.
Sofort.«
    Strocka
sah sich in dem Raum um, der für ihr vertrauliches Gespräch wie geschaffen schien.
Die Wand, die gegenüber des kleinen, zum Wald gerichteten Fensters lag, war mit
Geweihen unterschiedlicher Größe behangen. Stirnseitig, über der Tür, prangte ein
großes Kruzifix mit einem darangenagelten, blutenden Mann. Strocka betrachtete es
und verzog die Mundwinkel. Die Religion der Christen, er verstand nicht ihren Sinn,
aber ihr zu eigen war dieser Jesus, der vor ihm mit einem schmerzverzerrten Gesicht
hing. Strocka hegte Verachtung für eine derartige Schwäche.
    Kurze Zeit
später kam der Wirt mit einem Tablett zurück, auf dem er ein grünliches Kristallglas
balancierte, das mit Weinrebenornamenten verziert war. Er hielt es für das Klügste,
seinen hochdekorierten Gast mehr als standesgemäß zu bewirten. In dem Moment, als
er das Glas auf dem Tisch abstellte, erschrak er fast zu Tode. Zwei Männer in Uniformen
hatten den Weg in die Stube allein gefunden.
    »Uns das
Gleiche, bitte«, sagte einer der Männer und lachte. Der Wirt schätzte ihn mit einem
flüchtigen Blick auf Mitte 20 und verbarg sein Unbehagen hinter einer kurz aufflackernden
Grimasse. Sogleich blickte er wieder zu Boden. Der schwarze Ledermantel des Fremden
glänzte von den Regentropfen, die er auf seinem frisch gebohnerten Boden verteilte.
Er brauchte nur wenige Sekunden, um zu erkennen, dass er diese Männer nicht mochte.
Etwas an ihnen sagte ihm, dass er es hier mit gefährlichen Leuten zu tun hatte,
deren Anordnungen an höherer Stelle im Falle eines falschen Wortes seinerseits die
Enteignung seines Besitzes und das Ende seines Lebens bedeuten konnten. 30 Jahre
Gastronomie bescherten einen reichhaltigen Schatz an Menschenkenntnis, besonders
in diesen Tagen, in denen die meisten Großmäuler unverhohlen mit ihren Untaten prahlten.
Handlungen, die erst dann zu Verbrechen wurden, sobald ein Richter in ferner Zukunft
einen Schuldspruch sprechen würde, doch heute hatte derjenige das Sagen, der eine
geladene Walther PPK der Waffen-SS bei sich trug.
     
    Der Wirt betrachtete den Mann, der
an zweiter Stelle den Raum betreten hatte. Ein breitschultriger, blonder Hüne, dessen
kantige Wangenknochen dem Gesicht einen kalten, berechnenden Ausdruck verliehen.
Der Wirt schätzte, einen Mann vor sich zu haben, der seine Ziele skrupellos verfolgte
und seine in jungen Jahren erworbenen Abzeichen mit Menschenleben erkauft hatte.
Uniformen verliehen Größe und symbolisierten Stärke, doch spätestens, wenn das erste
Glas Wein oder eine Maß Bier getrunken worden war, erkannte man den wahren Kern
der Seelen, die sich hinter den Uniformen verbargen. Zu oft hatte der Wirt dies
erlebt. In vielen Nächten hatte er gehört, wie die Worte von allein aus ihnen heraussprudelten
und wie sie sich gegenseitig an

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