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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Prahlerei übertrumpften. Erst in der Nacht, wenn
die Dämonen sich nicht durch Abzeichen und Pistolen einschüchtern ließen, kamen
sie hervor und quälten ihre Besitzer. Warfen ihnen die Taten vor, zu denen sie sie
angestiftet hatten und drohten ihnen mit den Höllenqualen, die sie im nächsten Leben
erwarten würden. Spätestens dann waren die hochrangigen Offiziere, die Mörder und
Schlächter, wie kleine Kinder, die die Decken in der Dunkelheit bis über die Ohren
zogen, als könnten sie dadurch das Geschehene ungesehen machen.
     
    Die zwei Neuankömmlinge legten die
Schirmmützen der SS auf einem Nachbartisch ab, hängten die Mäntel an einen Haken
hinter der Tür und nahmen Platz.
    Der dritte
Mann im Bunde verhielt sich ruhig und schien nicht so ein Draufgänger wie sein Kamerad
zu sein. Er trug das dunkle Haar mittig gescheitelt und schob, einer Marotte folgend,
die Nickelbrille in kurzen Zeitabständen die Nasenwurzel empor.
    Strocka
betrachtete seine Kameraden und hielt seine Unruhe im Zaum. Ihn plagten Fragen über
die Zukunft seiner Kinder, vor allem seiner beiden unehelich gezeugten Kinder, die
jetzt in Steinhöring lebten. Zumindest noch ein Junge, das Mädchen war auf dem Weg
in die Adoption oder eine spezielle Kinderfachabteilung, so hoffte er. Dort wusste
man, wie mit Kindern zu verfahren war, die aufgrund angeborenen Schwachsinns, geistiger
Unterentwicklung oder körperlicher Gebrechen als lebensunwert galten. Genau darüber
gedachte er, mit seinem Kameraden Richard Fürst zu sprechen.
    Strocka
betrachtete seinen Freund. Er erachtete Fürst stets für untergewichtig und hielt
nun, wo er ihn sah, an seiner Ansicht fest. Der Arzt musste den Gürtel bis zum letzten
Loch schließen, um die Hose zu halten. Doch Strocka wusste, Fürst war zäh und ehrgeizig.
Seines Zeichens Arzt der Wehrmacht, seit Kurzem SS-Mitglied und seit drei Monaten
Mitarbeiter von Professor Erich Kranitz, einem befreundeten Kollegen von Dr. med.
Mengele.
    Fürst schob
die Brille empor und wartete auf seine Bestellung.
    Der breitschultrige
Freund hieß Franz Wegleiter. Ein Mann um die 23, der gut auf die 30 geschätzt werden
konnte. Außer kantigen Wangenknochen dominierten in tiefen Höhlen liegende dunkle
Augen, volles, nach hinten gekämmtes blondes Haar und ein feiner Bart, den er stutzte,
wie es Heinrich Himmler zu tun pflegte. Anders als Himmler, der als skrupelloser
Massenmörder in die Geschichte eingehen sollte, besaß Franz Wegleiter nicht den
teigigen Körperbau wie sein Vorbild, sondern wirkte sportlich und durchtrainiert.
Jeder einzelne Muskel und jede Sehne traten bei Wegleiter hervor, wenn er Gewichte
stemmte. An ihm fand sich kein Gramm überflüssiges Fett, und er forderte im Training
seine Untergebenen und sich selbst aufs Äußerste. Darüber hinaus verfügte er noch
über andere Qualitäten, wie er sie nannte. Er hatte nicht nur Freude am Töten, sondern
vielmehr am Quälen, dem unsäglichen Leiden vor dem Tod. Bereits in früher Kindheit
riss er den Käfern und Stubenfliegen die Flügel einzeln aus, vierteilte sie, verstümmelte
sie mit zunehmender Befriedigung. Mit sechs Jahren tötete er die Katze des Nachbarn,
weil sie auf dem elterlichen Rasen einen übelriechenden Haufen hinterlassen hatte
und der Vater mit neuen Schuhen dort hineingetreten war. Er nahm dies als Vorwand,
dem Tier den Schädel einzuschlagen und das Fell abzuziehen. Viele Varianten folgten.
Irgendwann reichte es nicht mehr, Tiere zu töten. In Kriegszeiten kam ihm die Hetze
gegen Juden, Homosexuelle, Kommunisten und Bolschewisten gerade recht, und er sah
in seinen Fähigkeiten eine große Chance, im Großdeutschen Reich aufzusteigen.
    Der Wirt
brachte zwei Gläser Wein und zog hinter sich die Tür ins Schloss. Eine Weile lauschte
er noch, suchte aber nach kurzer Zeit das Weite und verschwand in der Küche.
     
    Die ersten wohltuenden Schlucke
waren getan. Richard Fürst wischte sich den Mund mit dem Hemdärmel ab und blickte
neugierig zu Strocka. »Na, mein Freund. Warum hast du uns kommen lassen? Gibt es
etwas Wichtiges, wobei du unsere Hilfe brauchst?«
    »Etwas Wichtiges?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe euch so lange nicht gesehen. Wir sind irgendwo
im Reich verstreut und ich wollte an alte Zeiten anknüpfen. Nächste Woche werde
ich nach Treblinka versetzt und die Lageraufsicht übernehmen. Wer weiß, wann wir
uns wiedersehen.« Strocka rieb sich nervös die Hände.
     
    Vier Jahre war es nun her. Aus unterschiedlichen
Verhältnissen

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