Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
einfach nicht hierher.«
»Deshalb
ist er auch jetzt nicht mehr an dem Fall dran.«
Lorenz nickte.
»Er delegiert gern, wie Vati. Am liebsten hätte er meinen Posten, das würde ihm
gefallen, aber nur über meine Leiche.«
»Machen
Sie keinen Mist, Chef. Das fehlte mir noch.«
»War nur
Spaß, Martin. Entscheidend ist nur, dass er seine Finger nicht mehr im Spiel hat.«
Lorenz nahm eine Akte zur Hand. »Das Wichtigste habe ich Ihnen ja noch gar nicht
erzählt. Bisher war das ja nichts Neues.«
Pohlmann
seufzte.
»Also, wie
ich schon sagte. Die erste Klage hat nichts gebracht. Also mussten sich die Kläger
damals geschlagen geben und sind wieder abgezogen. Es war die Rede davon, dass sie
Revision einlegen wollen et cetera. Doch bisher weiß ich nur, dass sich die sechs
älteren Leute und der Professor zusammengetan und Zeit und Geld in umfangreiche
Recherchen gesteckt haben. Zwischenzeitlich waren die sieben wohl so weit gekommen,
dass es für einen neuen Prozess reichen sollte. Nur geht es jetzt tatsächlich um
einen Erbstreit, und zwar in nicht unerheblicher Höhe. Die ehemaligen Kläger scheinen
wohl innerhalb ihrer Recherchen zwei Männer gefunden zu haben, die vielleicht, und
das muss man betonen, vielleicht ihre Väter sind.«
»Und die
leben noch?«, fragte Pohlmann erstaunt.
»Na ja,
einer von denen ist wohl mit 91 Jahren noch recht rüstig, aber der andere ist schon
so gut wie tot. Vegetiert mit Lungenkrebs unter einem Sauerstoffzelt in einem herrschaftlichen
Haus in Blankenese. Seine Familie betreut ihn.«
»Und jetzt
spekulieren die Kläger auf ein nettes Erbe, sofern die Vaterschaft bewiesen werden
kann?«
»Genauso
ist es. Die Sache hat trotzdem einen Haken. Es gibt nicht mehr viele Unterlagen
aus der damaligen Zeit. Entweder haben die Nazis gegen Kriegsende alle Unterlagen
verbrannt oder ihre Identität im Ausland geändert oder die Namen der Lebensbornkinder
wurden gefälscht. Ein riesiges Durcheinander …«
»… das ich
aufräumen soll?«
Lorenz grinste,
doch ein wenig Mitleid schwang in seinem Blick ebenfalls mit. Diesen Fall zu lösen,
würde nicht leicht sein, das wusste er und viele andere im Präsidium auch. Pohlmann
ahnte es gerade.
»Sie sollten
sich mal in den nächsten Tagen mit dem Staatsanwalt treffen. Der scharrt auch schon
mit den Hufen. Er wittert nämlich in diesem Fall noch ganz andere Dinge.«
Lorenz wandte
sich von dem Board zu Pohlmann um. »Sollte es uns gelingen, die tatsächliche Identität
der ehemaligen Lebensbornkinder zu ermitteln, würde man auch die Namen ihrer Väter
wissen, ist ja klar, oder?«
Martin verengte
die Augen und nickte.
»Man stelle
sich vor, dass die Väter damals keine unbescholtenen Bürger Deutschlands, sondern
wie viele der anderen Lebensbornväter auch SS-Angehörige waren. Dann stellt sich
die Frage, welche Rolle sie genauim Krieg gespielt haben. Waren es einfache
Soldaten oder waren es Schweine wie dieser Strocka, der unendlich viel Dreck am
Stecken hatte und keiner es ihm nachweisen konnte.«
»Sie meinen,
es geht in erster Linie darum, alte Nazis aufzuspüren?«
»Der Staatsanwalt
ist jedenfalls ziemlich geil drauf, wenn ich das mal so auf Neudeutsch sagen darf.
Ist gut für seine Karriere. Der Fall ist so suspekt wie kaum ein anderer in den
letzten Jahren.«
Martin zupfte
am Ende seines langen Schnurrbartes und dachte nach. War so etwas möglich, dass
65 Jahre nach Kriegsende noch immer alte Nazis ihr Unwesen trieben? Hier, im angeblich
entnazifizierten Deutschland? Hier in Hamburg? Er schüttelte den Kopf und weigerte
sich, an derartige Verschwörungstheorien zu glauben. Doch schon bald sollte er eines
Besseren belehrt werden.
Teil 2
Kapitel 13
Anonymer Internetblog. Erstes
Posting
Nun war es heute schon das dritte
Mal, dass ich getötet habe.
Ja, ich
hab’s echt getan. Endlich kann ich anwenden, was man mir beigebracht hat. Beim ersten
Mal war es noch irgendwie komisch. Ich war aufgeregt und hatte Angst, nicht vor
dem Töten, sondern dass ich erwischt werden würde. Aber es ist nichts passiert,
denn ich bin clever. Beim zweiten Mal war es schon leichter, obwohl ich ihn mochte.
Schade, aber es musste sein. Doch auch da hat mich niemand erwischt, und keiner
ahnt bis heute, wer es getan hat. Ich bin genial. Ich bin der Herr über Leben oder
Tod. Ich erhalte es oder ich nehme es. Ich pflege es oder ich werfe es weg, gerade
so, wie meine Auftraggeber es wünschen. Es sind gut bezahlte Jobs. Sehr gut bezahlte
sogar.
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