Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Doch wer hätte geahnt, dass ich dieses Handwerk so gut beherrsche. Ich kann
es vielleicht sogar bis zur Perfektion bringen. Der perfekte Mord. Gibt es ihn wirklich?
Wenn ja, ich werde ihn erlernen, intuitiv, aus meiner großen Begabung heraus. Man
wird über mich reden als den Mann, der es geschafft hat zu töten, ohne gefasst zu
werden. Ich werde für sie wie ein Geist sein, ein Todesengel auf einsamer Mission.
Heute war es die Nummer drei, und weitere werden folgen. Ich entscheide, wann die
Uhr der unwerten Seelen abgelaufen ist, niemand anderes.
Es war einzigartig heute, leise
und unspektakulär. Erregend und lustvoll. Nicht wie beim letzten Mal mit einem viel
zu lauten Knall, sondern mit einem stillen Abgang.
Ich habe
zugesehen, wie er starb, wie er nach mir griff, in letzter Sekunde doch noch hoffte,
dass ich ihn da runterhole.
Es war fast
dunkel, nur die schwache Funzel an der Decke brannte noch. Alle anderen hatte ich
zerschlagen, damit das Licht so eben noch ausreichte. Damit er einen Grund hatte,
in den Keller zu kommen. Wie sollte er die Wasserpumpe reparieren ohne Licht? Hatte
am Vorabend schon alles bereitgelegt. Das dicke Stromkabel, das das Gewicht auch
ganz sicher aushielt, den Hocker und das Kreppband, damit er das Maul hielt.
Lief alles
wie am Schnürchen. Er kam runter, ging den dunklen Flur entlang, vorbei an den grünen
Ventilen und den Versorgungsrohren. Hatte überhaupt nicht mit mir gerechnet. Ging
alles blitzschnell. Hab ihn geschnappt, ihm die Schlinge um den Hals gelegt und
dann rauf auf den Hocker. Erst hab ich ihn noch ein bisschen winseln lassen, doch
dann, mit dem Fuß – zack, den Hocker weg.
Ich habe
auf die Uhr gesehen, wie lange so was dauert. Hab ich ja noch nie gesehen vorher.
Unter Wasser die Luft anhalten ist ja nicht das Gleiche; da kann man länger durchhalten,
weil man nicht so rumzappelt. Hab’s fast zwei Minuten geschafft, doch der Alte war
schon früher hinüber. Dieses Röcheln, als sich die Schlinge immer fester um seinen
Kehlkopf zog. Ein genialer Knoten war mir gelungen, aus dem es kein Entrinnen gab.
Je mehr er zappelte, desto mehr strangulierte er sich selbst. Und erst mal diese
Augen! Die fielen ihm fast aus dem Kopf und seine Visage wurde ganz blau.
Alles sah wieder so aus, als wäre
es beabsichtigt gewesen, allerdings so, als sei es seinem eigenen verdrossenen und
lebensmüden Hirn entsprungen. Dem Hirn eines alten Hausmeisters, der seinen Kopf
für alles und jeden hinhalten musste, verantwortlich für jeden Mist, der schiefging
in diesem Laden. Täglich umgeben von einer Horde lärmender und kreischender Kinder,
die nur rauswollen aus der Schule und ab nach Hause, und er darf dann abschließen
und alles reparieren, was die Blagen kaputt gemacht haben. Hunderte Kinder und doch
keine eigenen im Stall.
Und dann
noch verlassen von einer Frau, die sein ewiges Gejammer nicht mehr ertragen konnte.
Seine lebenslange Suche nach Papi und Mami. Dieses Rumstochern in der Vergangenheit
und den Archiven, auf der Jagd nach einem Namen. Der ganze Scheiß wegen einem einzigen
jämmerlichen Namen, nämlich dem eigenen, dem richtigen, der ihm einmal gegeben wurde,
den sich Papi und Mami ausgedacht haben. Tja, mein Lieber, das hättest du echt nicht
machen sollen. War nicht gut für dich. Jetzt siehst du ja, was du davon hast. Hast
leider nicht kapiert, dass nicht jeder ein Anrecht auf einen Namen hat. Genauso
wenig, wie die anderen das kapieren. Du hattest jedenfalls keines. Ich sollte dafür
sorgen, dass es endgültig so bleibt, und ich finde, es ist mir gut gelungen.
Ruhe in
Frieden, mein Alter. Wir sehen uns in der Hölle. Hab ein wenig Geduld. Du kriegst
bald Gesellschaft von den anderen.
Kapitel 14
Hamburg, 3. November 2010
Martin Pohlmann blickte aus dem
Fenster des Hamburger Büros. Kalte Dämmerung zog bereits auf. Er hatte mit Spannung
den Ausführungen seines Vorgesetzten gelauscht, doch er brauchte einige Minuten,
um das Gehörte zu begreifen. Ein zwei Jahre zurückliegender grausamer Mord an einem
Nazi und ein angeblicher Selbstmord eines Psychiaters. Pohlmann wandte sich zu Lorenz
um, der vor seinem Flipchart stand und daran geheftete Zettel umsortierte.
»Wie viele
Kläger gab es noch mal, Chef?«
Lorenz nahm
den Blick nicht von der Wand, während er antwortete. »Sechs. Der Psychiater Professor
Keller hielt sich scheinbar im Hintergrund, war dabei aber äußerst aktiv. Frau Braun
war eine Klägerin und fünf weitere. Keller ist tot,
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