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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Identität geändert, wenn sie Beziehungen
hatten. Viele Menschen sind im Krieg gefallen und andere haben für sie weitergelebt,
wenn es keine Verwandten gab, die sie hätten erkennen können.«
    »Genau,
da gibt es eine Menge toller Geschichten. Dieser Exnazi hieß Gerhard Strocka, war
Hauptsturmführer, hochrangiger Offizier und ein richtiger Scheißtyp. Ich war an
einem Tag der Verhandlungen mal da und hab mir den Spaß angesehen. Ein arrogantes
Schwein, wie es im Buche steht. Er war als Zeuge geladen, für eine Anklage reichte
es nicht, weil ihm keine verwandtschaftlichen Verhältnisse zu den Klägern nachgewiesen
werden konnten, obwohl seine angebliche Vaterschaft in mindestens einem Fall vorlag.
Diverse Recherchen hätten dies zutage gebracht, et cetera et cetera. Der ganze Kram
liegt auf Ihrem Schreibtisch.«
    »Kommen
Sie zum Punkt, Chef.«
    »Da bin
ich schon die ganze Zeit. Es ist eben komplex, mein Gott.« Lorenz stopfte das karierte
Hemd in die Hose und zog sie bis zum Bauchnabel hoch. Wenige Sekunden später rutschte
sie wieder nach unten. Unbeirrt fuhr Lorenz fort.
    »Strocka
wurde zu den strittigen Punkten befragt, lachte aber nur. Er verhöhnte die Kläger,
beschimpfte sie und musste mehrfach vom Vorsitzenden ermahnt werden, weil das Schwein
alte NS-Parolen von sich gab. Er faselte von Rassenreinheit, arischem Blut und diesem
Zeug. Nach Ansicht des Gerichts gab es tatsächlich einen Haufen Indizien dafür,
dass er als Zeugungshelfer dem Führer ein paar Kinderlein hatte zukommen lassen.
Nur für sie geradestehen, das wollte er nicht. Keine Alimente, keine Versorgungsgelder
und damit erst recht kein Erbanspruch.«
    »Hätte es
denn was zu holen gegeben? Ich meine, war er vermögend?«
    »Oh ja,
absolut. Er hat nach dem Krieg zunächst bei der Polizei gearbeitet. Tja, da staunen
Sie. Im Krieg ’ne Art Bulle unter Himmler und nach dem Krieg eben auch Bulle. Der
Typ war so aalglatt, dass ihm die Amis ’48 nichts nachweisen konnten. Obwohl er
in Treblinka Lagerkommandant war. Hat angeblich nur seine Pflicht getan, von all
den Gräueltaten nichts gewusst, und Lebensborn kannte er sowieso nicht. Der Genozid
hätte gar nicht existiert, und von Morden an Juden und von den Gaskammern wusste
er überhaupt nichts. Er hat sich nie fotografieren lassen, und es gab keine Zeugenaussagen
von anderen ehemaligen Aufsehern oder von Überlebenden. Er war rechtmäßig mit Liselotte
Strocka verheiratet und hatte mit ihr einen Sohn, Heinrich.«
    »Nach seinem
Ex-Chef benannt, was?«
    Lorenz lachte.
»Ja, möglich. Ist aber auch schon tot. Starb an Lungenkrebs mit 46.«
    Pohlmann
zuckte zusammen und nickte. Er hasste es, von Leuten zu hören, die, mit nur dreieinhalb
Jahren mehr auf dem Buckel als er, an Krebs verstorben waren. Selbst dann, wenn
es der Sohn eines Nazis war. Noch dazu an Lungenkrebs, den meist nur Raucher bekamen.
    »Hören Sie
mir eigentlich zu, Pohlmann?«
    Martin drehte
sich zum Flipchart um und betrachtete das Foto vom alten Strocka. »Klar.«
    »Irgendwann
schied Strocka aus dem Polizeidienst aus und machte in Immobilien. Ziemlich lukrativ
in den Fünfzigern. Der ganze Wiederaufbau und so. Man munkelt auch was von Waffenhandel
im Libanon und in Syrien, jedenfalls hatte er Geld wie Heu.« Lorenz strich über
seinen Kinnbart. »Na ja, nützt ihm jetzt auch nichts mehr.« Lorenz trat dichter
vor das fahrbare Board mit dem unübersichtlichen Blätterwald. Er nahm einen Kugelschreiber
und zeigte auf ein Foto. Man sah zunächst nichts außer Blut.
    Pohlmann
ging dichter heran und verzog das Gesicht. Er betrachtete einen eingeschlagenen
Schädel, in dem nichts mehr am Platz war, wo es hingehörte. Ein unglaubliches Massaker,
verübt an mit Nazigift verseuchten Hirnteilen.
    »Ist das
dieser Strocka?«
    »Das, was
von ihm übrig geblieben war.«
    »Meine Güte!
Wer macht denn so was? Wie viel Wut muss da jemand gehabt haben? Wie ist die Geschichte
denn ausgegangen? Jetzt machen Sie mich echt neugierig.«
    »Hm. Gar
nicht. Ist immer noch ’ne offene Akte. Schöller war damals dran, aber unter uns
gesagt …«, Lorenz sah sich um, ob auch wirklich niemand zuhörte, »eigentlich hat
er es versaut. Eine echte Schlamperei. Hat die Zeugen, die damaligen Kläger, eingeschüchtert,
ihnen gedroht und dummes Zeug geredet. War nicht so doll für Vati, wir verstehen
uns. Hat einen ziemlichen Aufstand gemacht – und wer hat die Schuld dafür gekriegt?«
    Pohlmann
deutete auf Lorenz.
    »Genau.
Wer sonst? Der Junge gehört

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