Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Schöller,
genau.«
»Okay.«
Martin verzog den Mund. »Erzählen Sie es mir trotzdem noch einmal. Es gibt leider
nur sehr wenig Informationen zu dem Selbstmord von Professor Keller.«
»Sie sind
sich wohl noch nicht sicher, ob es tatsächlich Selbstmord war?« Annegret drehte
den Kopf zu Martin und sah ihn an. Ihre Fröhlichkeit war gewichen, und ein merkwürdiges
Flackern schimmerte in ihren hübschen Augen.
Kapitel 25
Hamburg-Norderstedt, 8. November
2010
Martin Pohlmann und Schwester Annegret
saßen sich in diesem wartezimmerähnlichen, schmucklosen Raum gegenüber. Es war eine
Art Therapieraum, in dem sich Patienten zu einem gemeinsamen Gespräch mit ihrem
Psychologen einfanden. Es gab nichts in diesem Raum, was den Patienten in irgendeiner
Form ablenken konnte; keine Bilder an der Wand, die seine Konzentration schwächen
würden, kein weiches Polster auf dem Holzstuhl, kein gemütliches Kerzengeflacker,
um menschlichen Emotionen Raum zu geben, nichts zu knabbern oder zu trinken, um
die Seele zu laben, nur die nackte Anwesenheit kranker Gemüter im Angesicht heilender
Worte ihres Therapeuten.
Martin betrachtete
die Öde dieses Raumes. Der einzige wärmende Gedanke in diesem Moment war die Frau,
die ihm gegenübersaß mit der ihr eigenen Art, die Beine grazil übereinanderzuschlagen,
die Haare kokett nach hinten zu werfen und ihn schelmisch von der Seite aus den
Augenwinkeln zu betrachten.
»Glauben Sie nicht an einen Selbstmord?«, fragte sie den Kommissar erneut. »Sie denken,
jemand hat ihn umgebracht?«
»Das wissen
wir noch nicht. Hätten Sie denn einen Verdacht? Können Sie sich vorstellen, wer
ein Interesse daran gehabt haben könnte, den Professor umzubringen? Alles, was ich
über ihn weiß, ist, dass man ihn für einen qualifizierten, kompetenten und erfolgreichen
Psychiater hielt. Geschätzt unter Kollegen und, soweit ich informiert bin, auch
unter Patienten und Klinikpersonal.«
Annegrets
Blick schweifte im Raum umher. »Das stimmt.«
»Gibt es
hier nicht auch Leute, die draußen jemanden umbringen oder vergewaltigen oder Schlimmeres
antun würden?«
»Klar gibt
es die, aber hier drinnen sind sie friedlich. Man merkt nichts von ihren aggressiven
Taten aus der Vergangenheit. Sie leben hier in einer anderen Welt. Das da draußen
macht sie doch erst zu den Menschen, die sie geworden sind.«
Pohlmann
versuchte zu verstehen. »Ist das nicht ein bisschen zu einfach, die Schuld für seine
Taten anderen zu geben? Den Eltern für die Erziehung, der Umwelt für ihre Prägungen,
die schlechte Wirtschaft, die zum Klauen animiert. Die Liste ist ja noch unendlich
fortzusetzen.«
»Das ist
dieser unsichtbare Einfluss, dem man sich nicht entziehen kann. Über die Medien.
Geschicktes Lancieren von Informationen. Manipulation. Wir merken doch gar nicht
mehr, wie sie nach unserer Seele greifen, damit wir ein bestimmtes Produkt XY kaufen.
Das Motiv ist, uns allmählich zu Marionetten zu machen.«
Pohlmann
wand sich auf dem unbequemen Stuhl, um seinen Rücken zu entlasten. Scheel sah er
sie an. »Finden Sie nicht, dass Sie mit Ihren Verschwörungstheorien übertreiben?«
»Das sind
keine Theorien. Ich sehe es, wie es ist. Irgendetwas stimmt da draußen nicht, und
soll ich Ihnen noch was sagen?« Martin sah Annegret gespannt an. Welche weitere
Offenbarung würde sie ihm unterbreiten wollen?
»Da draußen
leben mehr Verrückte als hier drinnen, das merkt nur keiner. Vor allem die, die
an den Schalthebeln der Macht sitzen und ihre eigene Unzulänglichkeit mit ihren
politischen Spielchen kompensieren. Die sind verrückt.« Frau Kaschewitz knetete
ihre Hände, bis die Knöchel weiß hervortraten. Pohlmann hörte ihr mit wachsender
Skepsis zu. Dann fuhr sie fort: »Diese Menschen, Politiker und was weiß ich, wer,
tun alles, um ihre Macht zu behalten, um ihr Gesicht zu wahren. Leugnen jeden Fehler,
und am Ende stehen sie wieder makellos da. Es wird so dargestellt, dass sie nicht
anders handeln konnten. Dass sie Zwängen unterworfen waren. Sie reden so lange auf
dich ein, bis du den Schwachsinn am Ende glaubst, und dann haben sie dich da, wo
sie dich haben wollen. Was du vorher für Wahrheit gehalten hast, ist plötzlich eine
Lüge, nur weil man dich geschickt manipuliert hat. Unsere Wahrnehmung wird still
und heimlich verändert.«
»Meine Güte«,
stöhnte Pohlmann. »Was Ihnen alles im Kopf rumspukt. Ich hatte Sie eigentlich nur
gefragt, ob Sie sich vorstellen könnten, dass es kein Selbstmord gewesen
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