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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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war bei
Keller.« Annegret richtete sich abrupt auf, als schien das Gespräch für sie zu Ende
zu sein. »Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?«
    »Ist vielleicht
an diesem Tag oder dem davor etwas Besonderes passiert?«
    »Nein, nichts.«
    Wenn der
Professor sich nicht selbst das Leben genommen hatte, wer hatte ihn dann getötet
und vor allem, warum? Martin schloss für einen Moment die Augen und dachte nach.
Wieder die alte, entscheidende Frage nach dem Motiv. Wer bringt skrupellos Menschen
um und warum tut er es?
    »Eine letzte
Frage: Glauben Sie, dass es stimmt, was Frau Braun in ihrem Buch andeutet? Dass
der Professor diesen Nazi getötet hat? Auf der einen Seite ein Mann, der von Ihnen
als so beherrscht beschrieben wird, tötet einen anderen, selbst wenn es ein alter
Nazi war. Das wäre doch auch ein triftiger Grund, sich das Leben zu nehmen. Die
Schuld, mit der er nicht mehr leben konnte.«
    Annegret
sah auf die Uhr und stand auf. »Das müssen Sie selbst herausfinden und Emmi fragen,
wie sie darauf kommt. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass der Professor
zu so etwas fähig gewesen sein sollte. Aber …«, sie stülpte die Lippen und hob die
Schultern, »… wer weiß schon, was so alles in einer Seele abgeht? Das müssten Sie
doch am besten wissen, Herr Kommissar.« Pohlmann schaute zu Annegret empor, die
vor ihm stand und sich zum Gehen umwandte. Das feine Lächeln war aus ihrem Gesicht
verschwunden.
    Eine merkwürdige
Frau , dachte Martin.
    »Na gut,
dann will ich mal Frau Braun besuchen.«
    »Sie wartet
schon.«
    »Aber ich
hatte mich doch heute gar nicht angemeldet.«
    »Ist auch
nicht nötig. Emmi sagte heute Morgen, dass Sie vorbeikommen werden, und zog sich
an.« Es wurde zunehmend suspekter, und Martin führte diesen Umstand den Mauern zu,
in denen er sich befand. Verwundert verließ Pohlmann den Raum und schloss die Tür
hinter sich, um neue Türen zu öffnen, die neue Geheimnisse enthüllen würden.
    »Gute Besserung,
Herr Kommissar.« Martin nickte und kramte in seinen Taschen herum. Er brauchte dringend
neue Taschentücher. So etwas wird es doch in einem Krankenhaus zuhauf geben ,
dachte er. Selbst wenn es ein Krankenhaus für zerbrochene Seelen ist.

Kapitel 26
     
    Hamburg-Norderstedt, 8. November
2010
     
    Martin Pohlmann klopfte an der Tür
des Zimmers, in dem Emilie Braun lebte, wenn sie nicht in eigens dafür vorgesehenen
Räumen an Gittern und Betten fixiert werden musste. Er rechnete nicht damit, dass
ein Herein von innen ertönen würde, doch er sollte sich geirrt haben. Ein schrilles » Ja!« wurde hörbar, und so trat er mit pochendem Herzen und einem ähnlichen
Empfinden in seiner Stirnhöhle ein. Der Anblick, der sich ihm bot, verwirrte ihn.
Er hatte ein normales Krankenzimmer mit spärlichem Mobiliar erwartet und eine alte
Frau, in einem Sessel sitzend. Stattdessen kam er in einen überaus seltsamen Raum.
Auf dem Boden standen Türme von aufeinandergestapelten Büchern nebeneinander, im
Raum verteilt wie italienische Geschlechtertürme in San Gimignano, und drohten,
genau wie diese, jederzeit umzufallen. An den Wänden hafteten so viele beschriebene
Zettel in unterschiedlicher Größe und Farbe, dass man die Wandfarbe dahinter kaum
mehr erkennen konnte. Mal kariert, mal liniert, mal glatt. In der Ecke des Zimmers
befand sich ein einfaches Bett mit einem Nachttisch daneben. Auch hier standen oder
lagen Bücher und auf einem der Stapel balancierte eine Nachttischlampe mit einem
orangefarbenen Schirm aus den Siebzigern.
    Martin stand
der Mund offen, während er sich umsah. Dies war also Emilies Zimmer. Direkt vor
ihm stand ein Stuhl, in dem niemand saß. Er suchte weiter und fand Frau Braun in
der rechten, hinteren Ecke des Raumes auf dem Boden sitzend, mit einem Buch in der
Hand. Während sie las, wippte ihr dürrer Körper wie der eines vor der Klagemauer
betenden Juden, und ihre Augen ließen keinen Buchstaben aus. Alles in ihrem Gesicht
freute sich. Die Augen, die Mundwinkel, die sich ständig bewegten, sogar die Fältchen
waren aktiv. Es schien, als sei sie selbst eine Figur in der Geschichte, die sie
soeben verschlang. Ihre ausgestreckten Füße steckten in cremefarbenen, altmodischen
Schuhen, wie sie ältere Damen trugen. Darüber sah Martin am linken Fuß eine schwarze
und am rechten eine dunkelblaue Socke. Die Beine ruhten exakt dicht nebeneinander,
und diese Sitzposition sah unbequem aus. Ihre Waden wurden von demselben Rock bedeckt,
den er schon kannte, und

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