Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
stürzen.«
»Wieso hat
es nicht geklappt?«
»Weil Rohdenstock
kräftiger war, als der Einbrecher vermutet hatte. Rohdenstock hat sich nach Leibeskräften
gewehrt und gebrüllt, bis das ganze Haus den Lärm mitgekriegt hat. Irgendwann hat
der Killer eingesehen, dass er es nicht schaffen würde, und ist abgehauen. Er wurde
noch gesehen. Obwohl es stockdunkel war, konnte ein Opa, der seinen Dackel ausführte,
genau erkennen, dass es zwei waren, die auf dem Balkon standen und miteinander gerungen
haben.«
»Konnte
der Alte den Typen erkennen?«
Hartleib
schüttelte den Kopf. »Keine Chance. Meinte, es sei ein großer Kerl mit einem Kreuz
wie Klitschko gewesen.«
»Ich nehme
an, die Spurensicherung war da.«
»Logisch.
Und Schöller und ich. Dich konnten wir ja nicht erreichen. Lorenz war eine halbe
Stunde weg, da gab Schöller die ersten Anweisungen an die Beamten vor Ort.«
»Und? Was
gefunden? Lass mich raten. Keine verwertbaren Spuren.«
»Handschuhe«,
bestätigte Werner.
»Mann, das
ist ja noch mal gut gegangen. Wir müssen den Typen aufhalten. Jetzt können wir davon
ausgehen, dass es alles Morde und keine Selbstmorde waren. So viele Zufälle gibt
es nicht. In Hamburg läuft ein ›Jack The Ripper‹ frei rum und tötet einen nach dem
anderen. Und er wird es bei Rohdenstock noch mal versuchen, diesmal fest entschlossen,
es unbedingt durchzuziehen.«
Martin Pohlmann
zwirbelte an seinem Schnurrbart. »Hör zu, Werner. Es nützt alles nichts. Auch wenn
dir Schöller tausend Fälle übertragen hat. Wenigstens heute Abend müssen wir reden.
Schöller hin oder her. Wir sind jetzt privat. Ich habe heute im LKH einige Entdeckungen
gemacht, von denen ich dir erzählen muss. Lass uns ein Brainstorming machen, damit
ich weiterkomme. Mir platzt auch ohne Grippe schon der Schädel.«
»Okay. Hast
du was dagegen, wenn ich mir ein Bier hole? Dieser Tee ist nicht so mein Ding.«
Martin nickte.
»Klar. Hol dir, was du brauchst.«
In der Zwischenzeit legte Martin
die drei Akten der Männer Strocka, Wegleiter und Fürst bereit, räumte den Wohnzimmertisch
auf und legte die Akten darauf. Die Tabletten zeigten erfreulicherweise Wirkung.
Er fühlte sich zwar nicht topfit, aber es reichte, um klar zu denken. Werner kam
mit einer Dose Bier zurück, öffnete sie zischend, nahm zwei Schlucke und setzte
sich zu Martin. Nicht zu dicht, um nicht seiner Viren und Bakterien teilhaftig zu
werden, doch nah genug, um die Akten gemeinsam sichten zu können.
»Ich war
heute im LKH im Büro des toten Professors.« Martin nahm die drei Unterlagen zur
Hand und hielt sie wie einen Fächer. »Stell dir vor, die lagen in einem Geheimfach
in seinem Schreibtisch.«
»Echt? Ein
Geheimfach?«
»Hm, kaum
zu glauben, oder? Man fragt sich, was drinsteht, dass man sie derart verstecken
musste. Ich hatte bisher keine Gelegenheit, sie zu lesen, aber ich weiß bereits,
dass Emilie Braun die Tochter von Gerhard Strocka ist und im Lebensbornheim Steinhöring
bei München zur Welt gekommen ist.«
»Die, die
du im LKH besucht hast?«
Martin nickte.
»Im Lebensbornheim?
Wie die anderen ehemaligen Kläger auch?«
»Genau.
Sie kam als Hedwig Strocka zur Welt. Hat im Alter von vier Jahren eine neue Identität
bekommen und heißt seither Emilie Braun. Die Eltern sind umgebracht worden, als
man die neue Identität brauchte. Außerdem ist Hedwig alias Emilie im August ’44
vom Lebensbornheim Steinhöring nach Bremen Hohenhorst gezogen. Heim Friesland. Begleitet
hat sie eine Krankenschwester namens Hildegard Unger, die ein paar Tage nach ihrer
Ankunft an Keuchhusten gestorben ist. Danach ist von einer Verlegung der Kleinen
in eine Kinderfachabteilung die Rede. Ich hab nachgesehen. Das, was so nett klingt,
war in Wirklichkeit eine Anstalt, wo Versuche an Kindern gemacht wurden, die geistig
oder körperlich behindert waren. Danach wurden sie umgebracht.«
»Euthanasie.«
»Genau.«
»Das heißt,
Emilie Braun ist seit ihrem vierten Lebensjahr in psychiatrischer Behandlung?«
»Nicht unbedingt.
Annegret hat mir gesagt, sie sei früher schon mal draußen gewesen, aber es hat nie
lange funktioniert. Entweder hat sie versucht, sich umzubringen oder andere anzugreifen,
zumindest hat sie einem Kerl mal ’n Messer in den Bauch gerammt, weil er ihr an
die Brust gefasst hatte.«
»Wie konnte
sie diese Kinderfachabteilung überleben?«, fragte Werner erstaunt.
»Keine Ahnung.
Gute Frage. Vielleicht war sie clever oder hat sich versteckt. Ich glaube
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