Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
sein Leben
als Verräter.«
»Okay. Ich
fass das mal zusammen.« Werner erhob sich aus der tiefen Kuhle von Martins Couch
und vertrat sich die Beine. »Heißspornige junge Nazis zeugen Kinder für den Führer,
die in einem Lebensbornheim aufwachsen. Sie selbst lassen sich natürlich nicht zwei
Mal bitten, Sex mit hübschen Frauen zu haben, und sind überdies der Ansicht, dass
sie dem Deutschen Reich einen großen Dienst erweisen. Okay soweit. Erzeuger zu sein,
bedeutet aber nicht für sie, als Vater für die Kinder geradezustehen. Sie zeugen
sie nur und überlassen sie dann quasi dem Führer und seinem Stellvertreter. Die
Kinder wachsen mit ihren Müttern oder auch ohne sie mit der NS-Ideologie auf, mit
der sie tagtäglich gefüttert werden. Nach dem Krieg fliegt alles auf. Die Väter
und Mütter sind weg. Tot, geflohen oder inhaftiert. Die Kinder werden in Pflegefamilien
untergebracht, wo sie zum ersten Mal so etwas wie eine richtige Familie kennenlernen.«
Pohlmann
erhob die Stimme. »Die meisten der Kinder haben neue Namen bekommen. Vielleicht,
weil die Kinder nicht die Namen von SS-Leuten und Kriegsverbrechern führen und wirklich
eine neue Zukunft haben sollten.«
»Du meinst,
so was wie eine neue weiße Weste.«
»Na ja,
die Kinder können ja nichts für ihre Väter. Sie tragen ja keine Schuld an dem Verbrechen
ihrer Erzeuger, und damit sie nach dem Krieg nicht mit Nazis in Verbindung gebracht
werden konnten, beschaffte man ihnen kurzerhand eine neue Identität.«
»Denkst
du, das war so einfach?«
»Allerdings
glaube ich das. Entweder hat man Totgeglaubte weiterleben lassen oder einfach neue
Namen erfunden. Die Archive und Standesämter sind doch zum größten Teil zerbombt
gewesen. Oder man hat alte Personenakten vernichtet. Das sollte nun wirklich kein
Problem gewesen sein.«
»Was hat
das Ganze jetzt mit unserem Fall zu tun?«, fragte Werner.
»Ich glaube,
das ist ganz einfach. Dass den Kindern andere Namen gegeben wurden, hing ja auch
damit zusammen, die Namen der Väter geheim zu halten. Irgendjemand hat nach dem
misslungenen Prozess ganz tief in der Vergangenheit herumgestochert.«
»Du meinst
diese ehemaligen Kläger?«
»Genau.
Professor Keller hat alles unterstützt und gefördert, sonst hätte er diese Akten
nicht in seinem Schreibtisch gehabt. So. Und die, deren Suche erfolgreich war, müssen
immerhin so viel gefunden haben, dass sie manchen Leuten einen Haufen Probleme damit
bescheren konnten und zwar so große, dass man dafür einen nach dem anderen umbringt.«
»Das ist
allerdings ein gewaltiges Motiv.«
»Leute töten
bereits für viel weniger, das weißt du doch.« Werner nickte. Leider war dies so.
Mord aus Eifersucht, aus Geldgier, aus Machtgelüsten oder nur aus purer Freude am
Töten. Es gab fast nichts, was Pohlmann und Hartleib nicht schon erlebt hatten.
»Leben diese
Typen noch? Dieser Dr. Fürst und Wegleiter?«, fragte Werner.
»Denke schon.
Strocka ist tot, angeblich von Professor Keller getötet, was ich mir persönlich
gar nicht vorstellen kann. Und sofern Wegleiter und Fürst die echten Namen sind,
müssten wir sie ausfindig machen können.« Martin hielt die zwei Akten hoch. »Ich
hab eine Idee. Kannst du die morgen durch unseren Computer jagen und alles ausdrucken,
was wir zu den beiden haben? Es kann doch nicht sein, dass Exnazis als unbescholtene
Bürger unter uns leben.«
»Ha!«, protestierte
Martin. »Du wirst dich wundern, wie wenige damals ’48 wirklich von den Amis verurteilt
worden sind. Und wenn, dann manchmal nur zu einem halben Jahr oder auf Bewährung.
Ich möchte mal behaupten, dass die meisten durch die Maschen der Justiz geschlüpft
sind oder von einflussreichen Leuten protegiert wurden. Viele sind sogar mit päpstlicher
Hilfe ins Ausland abgehauen, das wird zwar nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt,
aber eigentlich ist es schon lange amtlich.«
»Na gut.
Schöller wird mir zwar den Kopf abreißen, wenn er mitbekommt, dass ich dir zuarbeite,
aber ich glaube, das ist mir der Spaß wert. Er kann mich ja nicht feuern, und Streifendienst
ist eigentlich auch nicht so schlecht, oder?«
Martin lachte
gequält. Er sehnte sich nach seinem Bett.
»Was wirst
du als Nächstes tun?«, fragte Hartleib seinen Freund.
»So genau
weiß ich das noch nicht. Ich muss noch ein bisschen drüber nachdenken. Emmi, dieser
Priester und vor allem Rohdenstock brauchen dringend Personenschutz. Wenn der Mörder
sich jeden Einzelnen vorgenommen hat, wird er jetzt nicht
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