Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
er wohnte, wurde
nicht von städtischen Laternen beleuchtet und gewährte ihm die Anonymität, die er
für sein dunkles Leben brauchte. Vor ungebetenen Blicken und neugierigen Ohren war
er hier sicher.
Die schwarze
Lederjacke warf er in die Ecke zwischen Flur und Außentür. Mit dem Fuß trat er gegen
die Tür des Wohnraums und schimpfte hemmungslos innerhalb der schützenden Mauern.
Er machte sich schwere Vorwürfe und fühlte sich als Versager. All seine Wut ließ
er an Gegenständen aus, die er zerschlug oder zertrat. Leblose Materie musste herhalten,
weil der Mensch, den er zu töten beabsichtigte, seine Pläne durchkreuzt hatte. Das
Opfer hatte Gegenwehr geleistet, und dies empfand der Killer als einen Schlag ins
Gesicht.
Der Mörder
war empört.
Er ging
ins Bad und warf sich kaltes Wasser in die Fratze. Erneut betrachtete er sein Spiegelbild
und empfand Wut auf sich selbst. Er hinderte sich im letzten Augenblick daran, mit
der Faust in den Spiegel zu schlagen.
Er trocknete
Gesicht und Hände, ging in die Küche und nahm eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank.
Er entfernte den Kronkorken mit einem gezielten Hieb auf die Tischkante und trank
es, ohne abzusetzen, in einem Zug aus. Er wischte den Mund mit dem Hemdsärmel ab,
und sein Blick fiel auf den Bildschirmschoner des Monitors. Er ruckelte an der Computer-Maus
und die Animationen verschwanden. Wenige Tasteneingaben später befand er sich auf
der Website, auf der er das virtuelle Tagebuch des Tötens führte. Seine IP-Adresse
war mehrfach verschlüsselt, und sein Bewegen im Netz geschah absolut anonym. Dies
zumindest glaubte er.
Fünftes Posting
Wer hätte gedacht, dass ein 70-jähriger
Rentner solch eine Kraft hat. Verdammte Scheiße. Ich habe es verbockt. Ich hätte
es wissen müssen. Der Kerl ist Bildhauer und hat Kraft wie ein Bär. Und geschrien
hat er, dass das ganze Haus ihn gehört haben muss. Ich wollte ihm den Mund zuhalten,
aber er hat sich gewunden wie ein Aal. Ich wollte ihn packen und ihm das Genick
brechen, doch ich hab ihn einfach nicht zu fassen gekriegt. Er hat sich die ganze
Zeit bewegt und sich aus meinen Armen rausgedreht. Verfluchter Mist. Ich habe ihm
den Arm auf den Rücken geworfen und ihn zum Balkon geschleppt, aber ich konnte ihn
nicht runterschmeißen. Es hat nicht viel gefehlt, doch ich konnte ihn einfach nicht
über die Brüstung heben. Und er brüllte so verdammt laut, dass ich abhauen musste.
Ich habe
versagt. Ich muss es wiedergutmachen. Fast hätte er mich erkannt. Er hatte schon
die Hand an der Maske, doch ich konnte ihm gerade noch rechtzeitig den Arm umdrehen.
Er hat mich ins Gesicht geschlagen. Das wird er mir büßen. Ab jetzt ist es mir egal,
ob es nach Selbstmord aussieht oder nicht. Beim nächsten Mal werde ich nicht versagen.
Ab jetzt ist es Rache. Sterben muss er, so oder so, egal wie, und ich werde es vollbringen.
Danach nehme ich mir den Priester
vor. Ich weiß noch nicht, wie ich ihn sterben lassen werde, aber ich werde mir etwas
Besonderes für ihn einfallen lassen. Den Selbstmord würde ihm eh keiner abnehmen.
Priester
bringen sich nicht um.
Einen Giftmord
hatte ich auch schon. Zyankali wär trotzdem nicht schlecht. Geht aber leider viel
zu schnell. Ich könnte ihm auch was spritzen. Adrenalin direkt ins Herz. Am Ende
würde man noch glauben, er sei eines natürlichen Todes gestorben. Am liebsten würde
ich ihn ein wenig leiden lassen. Wäre mal spannend zu sehen, wie ein Pfaffe reagiert.
Wird er um sein Leben betteln und winseln oder wird er tapfer dem Ende entgegensehen?
Und dann
ist da noch die andere Alte: E. B. Schafft sie es endlich allein oder muss ich noch
mal nachhelfen? Eine klapprige olle Zippe umzubringen, macht eigentlich keinen Spaß,
aber Job ist eben Job.
Als Letztes
nehm ich mir den Bullen vor. Steht zwar nicht auf der Liste, aber warum nicht? Gibt’s
als Bonus gratis dazu. Dürfte nicht schwer sein, den zu killen. Ist naiv wie eine
Tussi. Hält sich für unschlagbar. Ein Hippie als Bulle. Krass. Würd mich auch interessieren,
was er täte, wenn er dem Tod ins Auge blicken müsste. Den zu kriegen, ist leicht.
Schlaff wie ein Teddy, raucht wie ein Schlot und schafft keinen Kilometer zu rennen,
ohne anzuhalten. Er merkt nie, wenn er verfolgt wird. Ich beobachte ihn auf Schritt
und Tritt, doch er merkt nix. Das Training hat sich gelohnt. Ich bin ein gelehriger
Schüler. In die Bude reinzukommen, war auch nicht schwer. Doch allmählich wird er
mir lästig. Schnüffelt zu
Weitere Kostenlose Bücher