Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
viel rum. Schätze, ich werde ihn mal besuchen, ihn ein
wenig erschrecken.
Geil wäre,
sie alle drei auf einmal zu schnappen. Dann könnt ich sie mit zu mir nehmen und
wir hätten eine Menge Spaß. Wird doch mal Zeit, dass ich alles ausprobiere, was
ich in all den Jahren gesammelt hab. Hat ja auch schließlich ’ne Menge Kohle gekostet.
Dann muss es auch mal benutzt werden, oder?
Kapitel 32
Hamburg, 9. November 2010
Der nächste Morgen traf Pohlmann
wie ein Faustschlag. Gelenke und Muskeln schmerzten wie nach einem harten Kampf,
der Kopf fühlte sich an, als gehöre er nicht zu ihm, und alles in ihm sehnte sich
nach Ruhe. Obwohl der Körper sieben Stunden in einem Zustand verbracht hatte, den
man gemeinhin als Schlaf bezeichnete, verlangte alles in ihm nach einer Fortsetzung
der Nacht. Er sehnte sich nach dem Gefühl des Nichtgebundenseins, der Freiheit und
Schwerelosigkeit.
Die Aufgabe
des Tages drängte sich Martin mit unnachgiebiger Härte auf, und er schälte sich
ächzend aus den Federn. Eine Weile auf der Bettkante verharrend, legte er sich die
flache Hand auf die Stirn und meinte festzustellen, dass er kein Fieber mehr hätte,
und dies bedeutete für ihn seit jeher, dass er das Bett verlassen könne, ja sogar
müsse, fast normal arbeiten und so tun müsse, als sei er gesund, auch wenn alle
anderen Zellen im Körper eine andere Sprache sprachen und gegen den mannhaften Vorsatz
rebellierten. Er raufte sich das noch nicht gestutzte Haar und warf es mit der Hand
aus den Augen. Er kochte sich starken Kaffee und schmierte belegte Brote, die er
auf die Fahrt nach Berlin mitnehmen wollte. Den Kaffee trank er heiß und schwarz
und der Gedanke an eine Zigarette war verlockend. Er betrachtete die Packung und
beschloss, sie noch einen weiteren Tag zu ignorieren. Er rauchte seit über 36 Stunden
nicht mehr. Diese Tatsache erfüllte ihn mit Stolz. So lange hatte er noch nie durchgehalten.
Die Wirkung der Tabletten, die er gegen die beginnenden Kopfschmerzen zusammen mit
dem Kaffee eingeworfen hatte, setzte allmählich ein, und das Pochen in den Schläfen
ließ nach. Vorsorglich nahm er die Packung gleich mit und verstaute sie in der Innentasche
seiner Lederjacke, die er im Flur anzog, gemeinsam mit einem dicken Schal aus früheren
Tagen.
Das Navigationsgerät
im BMW war technisch auf dem allerneuesten Stand und versprach eine störungsfreie
Fahrt nach Berlin. Aktuelle Staumeldungen sowie alle auf der Strecke befindlichen
Tankstellen mit individuellen Benzinpreisen gehörten zum Standard. Pohlmann gab
die Adresse des Bundesarchivs in Berlin ein und machte sich auf den Weg zur Autobahn.
Es war 7.30 Uhr, als er die Stadtgrenze Hamburgs hinter sich ließ und das kurz zuvor
verspürte körperliche Unbehagen einem Gefühl von Freiheit und Freude wich. Der Himmel
klarte auf und es wurde hell. Im Inneren des Wagens herrschten angenehme 23 Grad,
obgleich die Außentemperaturen um den Gefrierpunkt lagen. Die Nachrichten brachten
aktuelle Neuigkeiten, den Wetterbericht und die Staumeldungen, und er hoffte auf
ein zügiges Dahingleiten ostwärts ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die Ankunftszeit
war auf circa elf Uhr angesetzt, sodass er bis 18 Uhr in sämtlichen Unterlagen zum
Thema Lebensbornkinder und deren Väter recherchieren konnte. Die Akten zu den drei
Nazis sowie sämtliche personenbezogenen Daten zu den ehemaligen Klägern lagen auf
dem Beifahrersitz in einer ledernen Aktentasche, die er aus Studienzeiten aufbewahrt
und hervorgekramt hatte. Martin hoffte, obwohl er um die gigantische Menge aller
dort gelagerten personenbezogenen Unterlagen aus der NS-Zeit wusste, eine geheimnisvolle
Führung durch den Archiv-Dschungel zu erfahren. Vielleicht würde ihm eine nette
Mitarbeiterin zur Hand gehen.
Die Fahrt
verlief von einer ungewohnten Leichtigkeit getragen und er wertete dies als gutes
Omen. Zwischendurch erschien auf dem Display des Armaturenbretts die Handynummer
von Schöller, und da er wusste, dass das Annehmen dieses Gesprächs zu einem Abbruch
der Fahrt nach Berlin führen würde oder zumindest einen unangenehmen verbalen Schlagabtausch
bedeutet hätte, ließ er es bimmeln. Martin lauerte, während die Schilder an ihm
vorüberzogen, wann Schöller es aufgeben würde, und er bescheinigte ihm grinsend
eine ungeheure Ausdauer.
Gegen 10.45
Uhr parkte Pohlmann den blauen Wagen vor dem Bundesarchiv, wickelte sich den Schal
drei Mal um den Hals, knöpfte die Lederjacke bis oben zu und stapfte durch den
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