Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
wie ich schon sagte, sie schreibt genial. Ich kenne mich nicht so
gut aus mit den Abgründen der menschlichen Seele, oder was sie noch alles kann und
was sie nicht kann.«
»Zurück
zu Dräger. Was für ein Motiv sollte er haben, Frau Braun tot zu sehen?«
»Dasselbe
Motiv wie bei allen anderen. Zuerst musste der Professor sterben, weil er der Initiator
eines ganz großen Prozesses war. Ein Medienspektakel, wie es wahrscheinlich seit
Jahren keines mehr gegeben hatte. Danach mussten alle aus dem Weg geräumt werden,
die daran beteiligt waren, weil sie vielleicht was herausgefunden haben, womit man
den nächsten Prozess führen könnte. Nicht nur Namen von irgendwelchen Vätern, die
man beerben könnte, sondern …«, Martin machte eine bedeutungsvolle Pause, denn in
diesem Moment wurde ihm selbst bewusst, welche Tragweite die ganze Sache annehmen
könnte, »… sondern Taten. Taten von Nazis, die bisher ungesühnt blieben. Leute,
die sich ihr ganzes Leben hinter einer scheinheiligen Fassade versteckt und in Wirklichkeit
so viel Dreck am Stecken haben, dass es für drei Leben reicht.«
Werner wurde
nachdenklich. »Okay. Morgen werde ich mich als Erstes an den PC setzen und die Datenbank
durchgehen. Sollte ich etwas finden, melde ich mich sofort bei dir. Bitte, lass
ausnahmsweise dein Handy an. Und dann müssten wir den Herren, falls es sie noch
gibt, einen Besuch abstatten.«
Martin nickte.
»Aber nicht mit leeren Händen und ohne den Hauch eines Beweises. Ich mache mich
morgen auf die Socken und fahre nach Berlin ins Bundesarchiv. Vielleicht habe ich
ja Glück und finde etwas heraus.«
»Was genau
hast du im Sinn?«
»Na ja,
wir wissen jetzt, dass Emilie Braun die Tochter von dem toten Strocka ist. Frage
Nummer 1: Wessen Väter sind Wegleiter und Fürst außerdem noch? Frage Nummer 2: Wer
sind die Kinder? Frage Nummer 3: Wer ist oder war Professor Keller? Frage Nummer
4 musst du klären.« Hartleib sah ihn neugierig an und Pohlmann sagte: »Wer ist Lars
Dräger wirklich? Hat er ein Alibi für die Tatzeiten? Gibt es eine Verbindung von
Dräger zu den drei Exnazis?«
»Hey, das
ist mehr als nur eine Frage.«
»Ach was.
Die hängen alle wie eine große Frage zusammen, würde Lorenz sagen. Ihr müsst Dräger
morgen einen Besuch abstatten. Bringt ihn aus der Ruhe, den Mistkerl. Ich traue
ihm nicht, was allerdings nichts bedeuten muss. Ich für meinen Teil habe morgen
einen langen Tag.«
»Na, da
hast du dir ja viel vorgenommen. Wie willst du nach Berlin kommen?«
Pohlmann
grinste schelmisch. »Ich fahr zurzeit einen schicken Wagen. Damit bin ich ruck,
zuck da. Sag Schöller einen Gruß von mir. Ach, und noch was. Kannst du dich um Personenschutz
für den Priester, Emmi und Rohdenstock kümmern?«
»Geht klar.«
Werner Hartleib
machte sich auf, den schniefenden und hustenden Kollegen zu verlassen. In der Tür
drehte er sich noch einmal zu seinem Freund um. »Du hast es dir anders überlegt,
stimmt’s? Du bleibst dran an dem Fall. Finde ich gut. Du bist wieder der Alte, das
gefällt mir.« Hartleib schlug Pohlmann auf die Schulter. »Schön, dass du wieder
da bist.«
»Ich kann
noch nicht sagen, ob ich mich wirklich freue, wieder hier zu sein, aber dass wir
wieder Freunde sind und zusammenarbeiten, finde ich klasse. Außerdem möchte ich
Lorenz nicht enttäuschen. Ich habe ihm wirklich viel zu verdanken. Ich hoffe, er
kommt wieder so weit in Ordnung, dass er den Erfolg dann auch genießen kann.«
»Du bist
ja ganz schön siegessicher. Noch haben wir keine greifbaren Ergebnisse.«
»Trotzdem,
Werner. Wir schaffen das. Wir werden das Schwein finden, und wenn es mein letzter
Fall als Bulle sein sollte.«
»Das wollen
wir doch nicht hoffen. Was macht Hamburg ohne dich?«
»Ach, komm.
Ihr seid die letzten zwei Jahre doch ganz gut ohne mich ausgekommen.«
»Ich bin
es nicht. So, ich hau jetzt ab und du gehst ins Bett. Du siehst furchtbar aus.«
Martin lachte
und begleitete Werner noch bis zur Tür.
Gähnend
und so schnell wie möglich verrichtete Martin seine Abendtoilette, trank einen letzten
Schluck Kräutertee und freute sich auf sein Bett. Nur liegen und schlafen ,
dachte er und streckte sich unter der Decke aus. Sein Körper begann sich zu entspannen,
nicht aber sein Kopf. Zu viele Gedanken rasselten durch sein Hirn, und er musste
an die letzten Worte von Werner denken. Ja, er war als Bulle wieder voll da, und
einerseits freute ihn diese Tatsache, dass ihm der Job doch noch eine gewisse Freude
machte,
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